Mülheim. . Günther Sachs ist einer von zehn Schiffsführern der Weißen Flotte in Mülheim. Vor seiner Pensionierung fuhr er im Winter Straßenbahn und Bus.
Im Sommer steht Günther Sachs gern mal um vier Uhr in der Frühe auf, um mit dem Rad durch die Wälder des Ruhrgebiets zu fahren. Der 67-Jährige liebt die Natur und vor allem das Ruhrtal. Von seinem Führerstand im Schiff der Weißen Flotte hat er einen besonders guten Blick auf die Auenlandschaft, den Auberg und die Landschaftsschutzgebiete zwischen dem Mülheimer Wasserbahnhof und der Altstadt Essen-Kettwig.
Es ist grau und bedeckt an diesem Montagmorgen. Die Schlange wartender Passagiere am Wasserbahnhof ist dennoch lang. Um 10.30 Uhr parkt Günther Sachs die „Friedrich Freye“ um und lenkt sie zum Steiger. Der braun gebrannte Mann mit seinem weißen Bart sieht nicht nur aus wie ein Kapitän, er hat ein richtiges Patent. Sachs ist einer der zehn Schiffsführer der Weißen Flotte, die zwischen Ostern und dem Ende der Herbstferien täglich über die Ruhr schippern, um Touristen und Einheimischen die Schokoladenseiten des Ruhrgebiets zu zeigen.
Vom Schiffsjungen zum Kapitän
„Früher habe ich explosive Stoffe gefahren. Heute sind es Leute, die einen Ausflug machen“, erzählt Sachs. Seit seinem 14. Lebensjahr ist der Mülheimer auf deutschen Flüssen unterwegs. Schiffsjunge, Matrose, Steuermann und schließlich Kapitän – Sachs hat als Binnenschiffer Karriere gemacht. Als seine Reederei 1980 in wirtschaftliche Schwierigkeiten geriet, bewarb er sich bei der Weißen Flotte – und wurde genommen. „Im Winter habe ich Straßenbahn und zum Schluss Bus gefahren. Und im Sommer eben Schiffe“, erzählt der Kapitän. Dem Traumjob ist er auch in seinem Vorruhestand treu geblieben. „Ich helfe gern aus, wenn Not am Mann ist“, sagt Sachs.
Die Ausflugs-Schifffahrt ist ein Saisongeschäft und Sachs‘ Vita typisch für die Weiße Flotte. „Unter unseren Kapitänen sind zwei Feuerwehrleute, ein Straßenbahnfahrer und ein Schleusenwärter“, berichtet Joachim Exner, Leiter der Betriebe der Stadt Mülheim, zu denen neben der Weißen Flotte das stadteigene Wasserkraftwerk, die Tiefgaragen und der Mülheimer Hafen gehören. „Unsere Kapitäne arbeiten nach Anforderung“, so Exner. Denn die Weiße Flotte bedient nicht nur den zweistündlichen Liniendienst zwischen dem Wasserbahnhof und Kettwig. „Es gibt auch eine Reihe von Sonder- und Charterfahrten“, sagt der Geschäftsführer. Regelmäßig geht es nach Xanten, auf die Kanäle oder nach Kaiserswerth. „Immer beliebter werden auch die Ü 30- und Ü 40-Partys mit DJs oder Live-Bands“, meint Exner. Die drei Schiffe können aber auch für Hochzeiten oder Betriebsfeiern gechartert werden. Das Geschäft auf dem Wasser wächst: Im vergangenen Jahr zählte die Weiße Flotte rund 66 000 Passagiere und machte einen Umsatz von 720 000 Euro – ein plus von 50 000 Euro gegenüber 2016. „Unter dem Strich blieb ein kleiner Gewinn von 36 000 Euro“, so der Betriebe-Chef.
Auftritt als Nikolaus
Die Fahrgäste sind an Bord, der Kaffee in der kleinen Küche ist gekocht. Rund 30 Mitarbeiter kümmern sich in den Sommermonaten darum, dass die Ausflüge der Weißen Flotte reibungslos verlaufen. Günther Sachs setzt sich ans Steuerrad. Von seinem Sessel aus in der Kanzel über den Passagieren lenkt er sein Schiff und hat einen phantastischen Blick auf des grüne Ruhrtal. „Die meisten Gäste wissen gar nicht, dass wir am Kahlenberg eine Steilküste haben“, erzählt der Kapitän. „Das sind die letzten Höhenzüge, bevor hinter Kettwig das Bergische Land beginnt.“ Sachs weiß eine Menge über die Landschaft, die er mit gemächlichem Tempo durchfährt. Kindern erklärt er mit leuchtenden Augen seinen beneidenswerten Arbeitsplatz. Aus den Jahrzehnten an Bord kann er eine ganze Reihe von Dönekes erzählen. Auch von einem vermeintlich tragischen Zwischenfall, als plötzlich eine Passagierin Alarm schlug, weil ein Hund ins Wasser gefallen war. „Zum Glück war es nur ein Stofftier. Wir haben es aber trotzdem aus der Ruhr geholt“, lacht Sachs.
Ende Oktober endet die Saison für den Linienbetrieb der Weißen Flotte. Für Günther Sachs aber nicht so ganz. Im Dezember wird er wie in jedem Jahr den Nikolaus spielen. Ein Boot der DLRG wird den Mann mit dem weißen Bart und dem roten Kostüm dann traditionell an Bord des Schiffs bringen, auf dem eine Schar von Kindern respektvoll wartet. Danach ist aber bis zum 1. März 2019 wirklich Schluss. „Im Winter warten und modernisieren wir unsere Schiffe“, sagt Geschäftsführer Joachim Exner. „Und wir bereiten uns auf die nächste Saison vor.“
>>> 6.50 Euro pro Ticket
Die Weiße Flotte startet werktags um 11, 13, 15 und 17 Uhr und sonntags um 10, 12, 14, 16 und 18 Uhr ab Mülheim Wasserbahnhof in Richtung Kettwig. Erwachsene zahlen 6,50 Euro, Kinder zwischen vier und 14 Jahren 2,30 Euro.