Bochum. . Die Industrie- und Handelskammer Mittleres Ruhrgebiet hat Hierarchien und Posten abgeschafft. Ziel: Mehr Service für die 30 000 Mitgliedsfirmen.

Von einer „Revolte“ war die Rede, als „Rebellen“ im vergangenen Jahr die Macht in der Handelskammer Hamburg übernahmen und die alt-ehrwürdige Zwangsmitgliedschaft in Frage stellten. So weit will man in Bochum wohl nicht gehen. Und dennoch hat sich die IHK Mittleres Ruhrgebiet eine Reform verordnet, der so manche Barriere, aber auch Privilegien der Mitarbeiter zum Opfer gefallen sind.

„Wir haben alles in Frage gestellt“, sagt Hauptgeschäftsführer Eric Weik. Er und sein Stellvertreter Christoph Burghaus sind in ihren Funktionen die letzten Relikte der alten IHK, die nicht nur Weik als „etwas angestaubt“ in Erinnerung ist. Auf Weiks Visitenkarte steht jetzt nicht mehr der formale Titel Hauptgeschäftsführer, sondern schlicht „Kompetenzfeld Zukunft gestalten“. Die Hierarchieebenen unter den gut 60 Mitarbeitern hat die IHK rigoros gestrichen.

Fünf statt 15 Führungskräfte

Als Führungskräfte geblieben sind allein Weik, sein Vize und drei weitere Kompetenzfeldmanager – von ehedem 15. Als der frühere Bürgermeister von Wermelskirchen im November 2015 zur Kammer nach Bochum kam, fand er analog zur Organisation des Wirtschaftsministeriums als vorgesetzter Behörde für die IHK „Säulen“ vor, die „nicht miteinander sprachen“. Weil er als Chef einen Pullover trug, verstieß er gegen die Dienstordnung. Sie schrieb für Damen Kostüme und Herren Anzüge vor.

Eric Weik im „Raum der Veränderung“.
Eric Weik im „Raum der Veränderung“. © Fabian Strauch

Wenige Wochen später begann der Erneuerungsprozess. Führungsfunktionen wie Geschäftsbereichs- oder Sachgebietsleiter wurden abgeschafft. Die Dienstordnung auch. „Alle Kollegen listeten ihre Aufgaben auf. Heraus kam eine Tabelle mit 1200 Zeilen“, erinnert sich Weik. Von Prüfungen über Start-ups bis hin zur „Nachhaltigkeit“ wurden alle Themen neu verteilt. Am Ende kam ein kreisrundes Organigramm aus der Grundsatzdebatte heraus. Es ziert jetzt den Fußboden inmitten des alt ehrwürdigen Plenarsaals, in dem die Vollversammlung mit 70 Unternehmern aus Bochum, Herne, Witten und Hattingen tagt. Der Hauptgeschäftsführer ist vom Erfolg der Aktion „Umkrempeln“ überzeugt. „Weil wir den Dienstweg abgeschafft haben, können die Mitarbeiter ihr Wissen nun in allen Bereichen einbringen. Das steigert die Leistungsfähigkeit der IHK und davon profitieren auch unsere Mitgliedsunternehmen“, so Weik.

„Es ist unglaublich viel Spirit ins Haus gekommen“

„Wir haben die Sterne auf den Schulterklappen abgeschafft. Dadurch ist die Motivation gestiegen“, erklärt auch Stefan Postert. Bis vor kurzem nannte er sich Geschäftsbereichsleiter Handel, Stadtentwicklung und Gesundheit. Jetzt ist der Handelsexperte Manager des Kompetenzfeldes „Unternehmen begleiten“. „Wir arbeiten jetzt stärker miteinander. Es ist unglaublich viel Spirit ins Haus gekommen“, so Postert. Christoph Burghaus hat beobachtet, dass sich die Kollegen freier fühlen. „Die Mitarbeiter trauen sich jetzt zu sagen, was sie sagen wollen.“ Das war nicht immer so.

Ein Stellenabbau, wie er 2014 Folge sinkender Beitragseinnahmen war, soll mit der aktuellen Umstrukturierung nicht verbunden sein. „Wir schreiben wieder eine schwarze Null. Die Zeit der Kündigungen ist vorbei. Kein Arbeitsplatz wird in Frage gestellt“, betont Weik. Langjährige Mitarbeiter behalten ihre Gehälter, die sich am Tarifvertrag für den Öffentlichen Dienst orientieren. Die Bezahlung bei Neueinstellungen wird frei ausgehandelt. „An der Zahl der Bewerbungen sehen wir, dass wir interessanter geworden sind“, so Weik.

„Trendsetter und Sprachrohr“

Hinter dem Umbau ihrer IHK stehen auch die knapp 30 000 Mitglieder in Bochum, Herne, Witten und Hattingen. „Die IHK muss ihre Mitgliedsunternehmen in die Zukunft führen können – und dafür muss sie selbst zukunftsfähig sein. Sie muss Trendsetter und Berater und Sprachrohr sei. Dies alles muss am Ende eines Veränderungsprozesses stehen, der einen Kreis als neues Sinnbild gewählt hat“, sagt IHK-Präsident Wilfried Neuhaus-Galladé. „Die IHK will Vorbild sein. Und Zukunft gestalten.“

>>> Externe Experten in Innovationskreisen

Die IHK Mittleres Ruhrgebiet hat ihre Ausschüsse abgeschafft und stattdessen Innovationskreise gegründet. Außerdem haben alle vier Kompetenzfelder jetzt Beiräte. Die Hälfte der Mitglieder entsendet die Vollversammlung, die andere Hälfte sind Experten von außen. „Auf diese Weise haben wir sogar zwei Schüler gewonnen, die bei uns mitarbeiten“, sagt Hauptgeschäftsführer Eric Weik.

Neu sind auch Foren, die unter dem Namen „Ruhr Faktor“ Akteure aus der Region zu Themen wie etwa Mobilität und Arbeitsformen der Zukunft zusammenbringen sollen.