Essen. . RWI-Chef Schmidt warnt vor einer „Versandung“ der Ruhrkonferenz. Finanzielle Zuschüsse an Kooperationsbereitschaft der Revierstädte knüpfen.
Die Erwartungen an die „Ruhrkonferenz“, mit der die Landesregierung ab Herbst dem Ruhrgebiet zu neuen Impulsen verhelfen will, sind hoch. Im Vorfeld warnt Christoph M. Schmidt, Präsident des RWI – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung davor, dass der „aktuelle Anlauf nicht so versandet wie die Vorhaben zuvor“. Deshalb rät Schmidt Ministerpräsident Armin Laschet zu finanziellen Sanktionen, sollten die Revierstädte nicht endlich miteinander kooperieren, um nötiges Wachstum für die Region zu generieren.
Die Stimme des RWI-Präsidenten hat Gewicht. Christoph M. Schmidt ist Chef der Wirtschaftsweisen, die der Bundesregierung zweimal jährlich die Leviten liest. Und der Wissenschaftler lehrt an der Ruhr-Universität Bochum. Mit seinem Papier „Re-Vitalisierung des Ruhrgebiets durch regionale Kooperation von unten“, das dieser Zeitung exklusiv vorliegt, schlägt Schmidt vor dem Start der Ruhrkonferenz Pflöcke ein. „Dieses innovative Format mag durchaus eine gewisse Aufbruchstimmung erzeugen“, schreibt Schmidt. „Inhaltlich werden damit allerdings wohl lediglich die alten, bislang nur mäßig erfolgreichen Versuche fortgesetzt, die Wettbewerbsfähigkeit des Ruhrgebiets zu stärken.“
Seit Jahren weist das RWI immer wieder nach, dass es anhand der wirtschaftlichen Kennzahlen „keine einheitliche Region Ruhrgebiet“ gebe. Abzulesen sei das in den 1x1 Kilometer großen Rastern, in die das Essener Institut die Revier-Städte aufteilt und damit das Gefälle bei Arbeitslosigkeit, Kaufkraft und Kreditausfallrisiko schon innerhalb der 53 Ruhrgebiets-Kommunen plastisch darstellt. Nach Zahlen aus dem Jahr 2015 – aktuellere liegen für die Raster nicht vor -- lagen die Arbeitslosenzahlen in einigen Gebieten unter fünf Prozent, in anderen dagegen über 25 Prozent. Ähnlich ist die Spanne bei der Kaufkraft. „In den südlichen Randlagen des Ruhrgebiets ist die Kaufkraft generell am höchsten, im Zentrum deutlich niedriger“, heißt es in der RWI-Studie. Das Nord-Süd-Gefälle werde vor allem in Essen deutlich. „Jene Essener Stadtgebiete mit hoher Arbeitslosigkeit im Norden grenzen an die Stadtgebiete von Oberhausen, Gelsenkirchen und Bochum, die ebenfalls jeweils die höchsten Arbeitslosigkeiten aufweisen“, hat das Institut ermittelt. „Die Zuständigkeitsgebiete der kommunalen Verwaltungen haben mit diesem Wandel nicht Schritt gehalten.“
Eine große Ruhrstadt als Konsequenz aus den aktuellen Entwicklungen, hält RWI-Präsident Schmidt jedoch für „schlicht unrealistisch“. Er schlägt stattdessen freiwillige Kooperationen der Städte untereinander vor. Als Stimulanz für eine Bewegung „von unten“ hin zur Überwindung der Kirchtürme „könnte das Land NRW finanzielle Zuweisungen an seine Kommunen an den Nachweis der Kooperationsfreudigkeit binden oder Kooperationswettbewerbe organisieren“, so Schmidt. Ihm schweben ausschließlich freiwillige Kooperationsmodelle mit wechselnden Partnern vor, die sich konkreten Aufgaben widmen. Das erhöhe die Aussicht auf Erfolg. „Gut gemeinte Rettungsaktionen“, wie es sie in der Vergangenheit bei den Vorgängern der „Ruhrkonferenz“ gab, würden nach Schmidts Überzeugung jedenfalls nicht zu einer Aufbruchstimmung im Ruhrgebiet beitragen.