Essen. . Stromkunden mit niedrigem Verbrauch sind laut Verivox besonders von Preissteigerungen betroffen. Verbraucherschützer kritisieren den Trend.
Beim Anstieg der Strompreise in den vergangenen Jahren sind Haushalte mit einem geringen Energieverbrauch besonders stark belastet worden. Das geht aus einer Datenanalyse des Vergleichsportals Verivox hervor. Ein-Personen-Haushalte haben demnach prozentual den stärksten Strompreisanstieg erlebt.
Hintergrund: Die meisten Stromtarife bestehen aus einem festen monatlichen Grundpreis, der unabhängig vom Verbrauch fällig wird, und einem Arbeitspreis pro verbrauchter Kilowattstunde (kWh). In einem Fünf-Jahres-Vergleich hat Verivox ermittelt, dass der Grundpreis deutlich stärker gestiegen ist als der Arbeitspreis. Das heißt: Je mehr Strom ein Haushalt verbraucht, desto geringer fällt die Preis-Steigerungsrate aus.
Großverbraucher profitieren
Bei einem Ein-Personen-Haushalt mit einem jährlichen Verbrauch von 1500 Kilowattstunden beträgt der Arbeitspreis im örtlichen Grundversorgungstarif heute im bundesweiten Durchschnitt 28,20 Cent pro kWh. Anfang 2013 lag dieser Preis noch bei 26,98 Cent/kWh – ein Preisanstieg von rund fünf Prozent. Der durchschnittliche Grundpreis hingegen ist im gleichen Zeitraum um rund 25 Prozent auf 108,12 Euro pro Jahr gestiegen. Heute zahlt ein Single-Haushalt damit etwa 531 Euro für Strom – 8,2 Prozent mehr als noch im Januar 2013.
Der Anstieg der Grundkosten fällt weniger ins Gewicht, je höher der Verbrauch ist: Bei einem Jahresverbrauch von 6000 kWh stiegen die Gesamtkosten seit Anfang 2013 um lediglich 5,6 Prozent. Dieser Wert ist laut Verivox für einen Vier-Personen-Haushalt mit elektrischer Warmwasserbereitung realistisch. Noch deutlicher wird das Phänomen bei einem sehr hohen Stromverbrauch von 10.000 kWh, der laut Verivox etwa bei einer Familie mit einer Sauna oder einem Swimmingpool entstehen kann. Hier stiegen die Stromkosten im Fünf-Jahres-Vergleich um gerade einmal 2,3 Prozent auf 2933 Euro.
„Dramatische Umverteilungseffekte“
Der Hauptgrund für diese Entwicklung sind laut Verivox die Gebühren der Stromnetzbetreiber, die rund ein Viertel des Strompreises ausmachen. Die Grundkosten der Netzbetreiber sind den Angaben zufolge in den vergangenen fünf Jahren um 62 Prozent gestiegen, während sich die Arbeitspreise nur um drei Prozent erhöht haben. Dadurch würden „Haushalte mit geringen Verbräuchen gegenüber Großverbrauchern benachteiligt“, bemängelt Verivox-Experte Mathias Köster-Niechziol.
Der Bundesverband der Verbraucherzentralen (VZBV) fordert, private Stromverbraucher bei den Netzentgelten zu entlasten. „Energieeinsparungen dürfen nicht auf der Strecke bleiben“, heißt es in einem VZBV-Papier. Die Verbraucherzentralen beklagen zudem „dramatische Umverteilungseffekte“ zu Lasten von Geringverbrauchern und einkommensschwachen Haushalten. Auch die Experten des Berliner Instituts Agora kritisieren, die zunehmende Mehrbelastung von Geringverdienern sei „aus Gründen der Verursachergerechtigkeit nicht nachzuvollziehen“.
„Die Zeche zahlen Geringverbraucher von Strom“
Grünen-Fraktionsvize Oliver Krischer sieht Handlungsbedarf. „Viele Versorger haben den Grundpreis als versteckte Preisschraube entdeckt und erhöhen oftmals unverschämt“, kritisiert er. „Die Zeche zahlen Geringverbraucher von Strom, die oftmals auch Geringverdiener sind. Das hat eindeutig eine soziale Schieflage.“
Als vorbildlich und fair bezeichnete Krischer einige Stromversorger, die den Grundpreis abgeschafft haben und die Betriebskosten sowie die Kosten für das Messwesen auf die verkaufte Kilowattstunde umlegen. „Das sollte Vorbild für die gesamte Branche sein“, fordert Krischer. „Ansonsten hilft nur eine gesetzliche Anpassung, dass der Grundpreis nicht exorbitant ansteigen darf und im definierten Verhältnis zu den übrigen Kosten stehen muss.“