Essen. . Nach Spekulationen über eine Zerschlagung von Thyssenkrupp bekennt sich Krupp-Stiftungschefin Ursula Gather zur „Einheit des Unternehmens“.
Ein laues Lüftchen weht über das weitläufige Gelände der Essener Villa Hügel. Die Fahne mit den drei Ringen hängt meist regungslos vor der Eingangstür des Stiftungsgebäudes, nur gelegentlich weht sie etwas heftiger. Während sich hinter verschlossenen Türen das Führungsgremium des Thyssenkrupp-Großaktionärs zu einer Sondersitzung versammelt hat, wirkt die Szenerie vor der Villa alltäglich. Ein Bus des Reiseclubs „Dolce Vita“ hat Besucher abgesetzt. Im Stiftungsgebäude aber geht es um den Ernst des Lebens.
Der überraschende Abgang von Thyssenkrupp-Vorstandschef Heinrich Hiesinger hat eine Führungskrise in dem Revierkonzern mit seinen weltweit 160 000 Mitarbeitern ausgelöst. Nach turbulenten Tagen bemühten sich Stiftungschefin Ursula Gather und Thyssenkrupp-Aufsichtsratschef Ulrich Lehner, Ruhe ins Unternehmen zu bringen. „Stabilität“ sei das Gebot der Stunde.
„Kritische Aktionäre grundsätzlich nichts Schlechtes“
Offiziell ist jetzt, dass der bisherige Finanzvorstand Guido Kerkhoff zunächst als Interims-Chef an die Spitze des Revierkonzerns rücken wird. Und Ursula Gather betonte nach der Kuratoriumssitzung, die Krupp-Stiftung sehe sich auch in Zukunft dem Ziel verpflichtet, „die Einheit des Unternehmens möglichst zu wahren und seine weitere Entwicklung zu fördern“. Die Aussage hat angesichts von Spekulationen über eine mögliche Zerschlagung des Essener Konzerns Gewicht, denn gemeinsam mit den Arbeitnehmervertretern hat die Stiftung im entscheidenden Thyssenkrupp-Aufsichtsrat die Mehrheit.
Der neue Vorstandschef Kerkhoff betonte in einem internen Mitarbeiterschreiben, das unserer Redaktion vorliegt: „Wir werden an unserem Kurs festhalten, das Unternehmen zu einem starken Industriekonzern umzubauen.“ Kerkhoff appellierte an die Investoren, den öffentlichen Streit über die künftige Ausrichtung von Thyssenkrupp einzustellen. „Kritische Aktionäre sind ja grundsätzlich nichts Schlechtes“, erklärte er. „Öffentliche Diskussionen helfen jedoch niemandem, sondern sorgen nur für Verunsicherung.“
Kerkhoff auch von Cevian gewählt
Der schwedische Investor Cevian, der fast so viele Aktien hält wie die Krupp-Stiftung, fordert seit geraumer Zeit einen Konzernumbau und eine kleinere Firmenzentrale.
Kerkhoffs Plan dürfte es sein, ein Konzept zu entwickeln, das bei der Stiftung ebenso wie bei Cevian und der IG Metall Zustimmung findet. Er wünsche sich einen „konstruktiven Dialog“ mit dem Aufsichtsrat – „und dass es dort eine gemeinsame Basis für uns als Vorstand gibt“. Am Ende der Ära Hiesinger schien diese Basis gefehlt zu haben. Ein Anfang: Kerkhoff wurde einstimmig im Aufsichtsrat gewählt. Als es um die Stahlfusion mit Tata ging, hat der Cevian-Vertreter Jens Tischendorf noch mit Nein gestimmt.