Essen. . Innogy-Finanzchef Bernhard Günther tritt wieder in der Öffentlichkeit auf. Er beschreibt die Folgen des Säure-Anschlags.
Die Säure hat Spuren hinterlassen im Gesicht von Bernhard Günther, komplett entstellt hat sie ihn nicht. Die getönten Brillengläser schützen seine empfindlichen Augen vor allzu viel Licht, und vielleicht auch vor unangenehm durchdringenden Blicken. Ob er überhaupt noch würde sehen können nach dem Anschlag an jenem Sonntagmorgen des 4. März kurz vor seinem Haus, wusste Günther eine Zeit lang nicht. Der Finanzchef des Essener Energiekonzerns Innogy kämpfte kurzzeitig sogar um sein Leben, anschließend kämpften die Ärzte um sein Augenlicht und um seine Gesichtshaut. Nun lehnt er weit oben in der als RWE-Turm bekannten Innogy-Zentrale an einem verchromten Geländer und lässt sich erstmals seit dem Attentat fotografieren.
Er geht diesen Schritt zurück in die visualisierte Öffentlichkeit mit Bedacht. Günther, der als Finanzmanager bis zu jenem Morgen wenig bis nie auf den Seiten des Boulevards zu finden war und plötzlich darin Spekulationen lesen musste über die Motive für die Tat von Aktienkurs-Manipulationen bis zur Beziehungstat, hat sich für das „Handelsblatt“ entschieden. Die Wirtschaftszeitung darf zwei Bilder drucken, die Rechte behält Innogy. Andere Medien dürfen die Fotos nicht drucken. Bernhard Günther habe sich gegen eine Freigabe entschieden, heißt es auf Anfrage.
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Längst arbeitet er hier oben über den Dächern des Essener Bahnhofsviertels wieder in seinem alten Job, will Finanzchef bleiben, so lange es die RWE-Tochter noch gibt. Mutmaßlich also bis Ende 2019, wenn Innogy unter Eon und RWE aufgeteilt werden soll. Doch während er in Telefonkonferenzen schon lange wie der alte Bernhard Günther wirkt, ist dies ein großer Schritt zurück ins Licht der Öffentlichkeit. Je bekannter ihm die Menschen seien, umso leichter falle es ihm sich zu zeigen, sagte er dem „Handelsblatt“. „Ich bekomme schon mit, dass viele Leute im ersten Moment etwas erschrecken. Aber dem muss ich mich stellen.“
„Ich habe Glück im Unglück gehabt“
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Es gehe ihm den Umständen entsprechend gut, er habe „Glück im Unglück gehabt“. Zu den Ermittlungen und dem möglichen Tatmotiv sagte der 51-Jährige nichts, es gebe „wohl noch keine konkrete Spur zu den Tätern“. Er habe seine eigene Theorie, wolle sie aber für sich behalten. Dazu, ob der Angriff ihm als Privatperson oder als Manager gegolten habe, sagte er, es sei nichts auszuschließen.
Der Anschlag traf Günther kurz vor der Bekanntgabe der Pläne von RWE-Chef Rolf Martin Schmitz und Eon-Chef Johannes Teyssen, die erst vor zwei Jahren an die Börse gebrachte RWE-Tochter Innogy unter sich aufzuteilen. Eon soll zunächst Innogy übernehmen, dann die Netz- und Vertriebssparten integrieren und die Ökostromsparte zusammen mit der eigenen an RWE abtreten. Die Zerschlagungspläne hätten seine Rückkehr ins Arbeitsleben beschleunigt, sagte Günther nun. Die Mitarbeiter habe das sehr getroffen. Ökonomisch sehe er aber „durchaus eine unternehmerische Logik“ in dem Vorhaben: „Die neuen Unternehmen hätten schon eine größere Wucht.“
Verschwindet Innogy, geht Günther
Günther hatte Innogy 2016 mit dem damaligen Vorstandschef Peter Terium erfolgreich an die Börse gebracht. Damit besorgten sie dem eigenen Netz-, Vertriebs- und Ökostromgeschäft zwei Milliarden Euro an frischem Geld und der Mehrheitseigentümerin RWE 2,6 Milliarden Euro. Nach einer Gewinnwarnung, also einer korrigierten Prognose aus Günthers Ressort, musste Terium im Dezember gehen. Drei Monate später erklärte die auf weniger als 20 000 Mitarbeiter geschrumpfte Muttergesellschaft RWE, ihre doppelt so große Tochter Innogy (42 000 Mitarbeiter) dem Erzrivalen und Nachbarn Eon zu verkaufen. Darüber spüre er bei vielen Mitarbeitern „Wut und Enttäuschung“, sagte Günther nun und verglich den Vorgang mit einem „Theaterstück“, das „fröhlich“ begonnen habe, nun aber einer „Tragödie“ ähnele.
Als RWE Innogy abgespalten hat, habe er sich wie viele andere bewusst für Innogy entschieden. Hätten er und die anderen geahnt, wie es weiter geht, „hätten wir das sicher nicht so gemacht“.
Günther äußert sich damit noch deutlicher als Interimschef Uwe Tigges. Um seinen eigenen Job will er offenbar nicht mehr kämpfen: Seine Rolle als Finanzvorstand sehe er für den Fall der Zerschlagung von Innogy als „beendet“ an.