Essen. . Die IG Metall ebnet den Weg zur Stahlfusion von Thyssenkrupp und Tata in Europa. Damit bekommt Vorstandschef Hiesinger Rückendeckung.
Eigentlich sollten die Verträge für die Stahlfusion mit Tata längst unterschrieben sein. Als Thyssenkrupp-Chef Heinrich Hiesinger vor neun Monaten im Essener Konzernquartier die Grundsatzeinigung mit dem indischen Konzern verkündete, war noch von einem Abschluss Anfang 2018 die Rede. Einige Monate später war klar, dass dieser Zeitplan nicht zu halten war. Zu groß war die Zahl offener Fragen. Immer wieder tauchten Bedenken von Arbeitnehmervertretern auf. Auch aus dem Kreis der Investoren gab es kritische Nachfragen. Hiesingers Fusionsvorhaben entpuppte sich als überaus komplexes Projekt.
Ein Knackpunkt war bis zuletzt, wie der Wert der Unternehmen, aus denen der neue Stahl-Gigant entstehen soll, fair zu bewerten ist. Geplant ist ein Joint Venture, an dem Thyssenkrupp und Tata je 50 Prozent halten. Doch in den vergangenen Monaten haben sich die Geschäfte der beiden Stahlschmieden unterschiedlich entwickelt. Bei Thyssenkrupp ging es bergauf, bei Tata bergab. Von einer „Wertlücke“ war die Rede.
Wappnen gegen mögliche Verluste in Port Talbot
Tata betreibt Stahlwerke im britischen Port Talbot und im niederländischen IJmuiden. Sorgen bereitete den Thyssenkrupp-Betriebsräten in Duisburg und Essen, dass es Sonderrechte für IJmuiden geben könnte. Dem Vernehmen nach wollten sich die Niederländer gegen mögliche Verluste in Port Talbot wappnen.
In den vergangenen Tagen konnte das Thyssenkrupp-Management Bedenken der Aufsichtsräte ausräumen, berichtete ein Insider. Vorstandschef Hiesinger dürfe damit rechnen, dass die Konzernkontrolleure die Fusionspläne absegnen werden. Damit wäre die Gründung des zweitgrößten europäischen Stahlkonzerns mit 48 000 Mitarbeitern und Werken in Deutschland, Großbritannien und den Niederlanden besiegelt. Der neue Konzern soll Thyssenkrupp Tata Steel heißen und aus einer Zentrale mit Sitz in Amsterdam geführt werden. Bislang befindet sich die Hauptverwaltung der Thyssenkrupp-Stahlsparte in Duisburg.
Stahlfusion als „bessere Alternative“
Einen Tag vor der geplanten Konzern-Aufsichtsratssitzung signalisierten einflussreiche Arbeitnehmervertreter der IG Metall ihre Zustimmung. „Unser Ziel war immer, die Arbeitsplätze und Standorte zu sichern, die Interessen der Kolleginnen und Kollegen zu wahren und alle IG-Metall-Mitglieder zu beteiligen. Das ist, denke ich, weitestgehend gelungen“, sagte Tekin Nasikkol, der Betriebsratschef der Stahlsparte, unserer Redaktion. Auch Konzernbetriebsratschef Wilhelm Segerath betonte angesichts von Spekulationen über eine drohende Zerschlagung von Thyssenkrupp: „Die Stahlfusion mit Tata war nie unser Wunsch, aber sie ist die bessere Alternative.“
Ein Erfolg in den Verhandlungen zur Stahlfusion wäre ein Befreiungsschlag für Vorstandschef Hiesinger, der Thyssenkrupp als breit aufgestellten Ingenieur-Konzern mit Geschäften rund um Aufzüge, Autoteile und Industrieanlagen weiterentwickeln will.
„Eine Zumutung für die Belegschaft“
Der frühere IG-Metall-Chef Detlef Wetzel, der im Aufsichtsrat der Thyssenkrupp-Stahlsparte die Interessen der Gewerkschaft vertritt, mahnte: „Wir erwarten, dass die Vorstände von Thyssenkrupp und Thyssenkrupp Steel jetzt alles daransetzen, verloren gegangenes Vertrauen wiederherzustellen.“ Die Dauer der Fusionsdebatte und die Fusionsverhandlungen seien „eine Zumutung für die Belegschaft, die Betriebsräte und die IG Metall“ gewesen, sagte Wetzel.
Schon seit einigen Monaten ist klar, dass von den rund 27 000 Arbeitsplätzen in der Stahlsparte von Thyssenkrupp und den 21 000 von Tata Steel Europe jeweils bis zu 2000 Stellen abgebaut werden sollen. Ende vergangenen Jahres hatte sich das Thyssenkrupp-Management mit den Arbeitnehmervertretern auf einen weitreichenden Kündigungsschutz geeinigt.