Essen. . Große CO2-Verursacher haben es bei Versicherern und Fondsgesellschaften schwer. Anleger wie Allianz und Union Investment mahnen zu Klimaschutz.
Wenn Ingo Speich von der Fondsgesellschaft Union Investment auf Hauptversammlungen von Konzernen wie Thyssenkrupp, BASF, Siemens und Daimler das Wort ergreift, kommt er regelmäßig auf die Risiken der Erderwärmung durch den Ausstoß von klimaschädlichem Kohlendioxid (CO2) zu sprechen. „Als nachhaltiger Investor sehen wir neben wirtschaftlichen auch ökologische Aspekte als sehr wichtig an“, sagt Speich. „Mit Blick auf den Klimawandel, aber vor allem auch im ökonomischen Interesse sollte das Thema Emissionsreduktion ganz weit oben auf der Agenda stehen.“ Auch bei großen Energiekonzernen wie RWE und Uniper macht die Fondsgesellschaft Druck.
Das Beispiel Union Investment zeigt: Große CO2-Verursacher und energieintensive Branchen haben es mittlerweile schwer bei einflussreichen Kapitalanlegern. Die Logik der Investoren ist simpel: Ein hoher CO2-Ausstoß ist gleichbedeutend mit hohen Kosten, da die Unternehmen entsprechende Verschmutzungsrechte kaufen müssen – und die Aktionäre wollen nicht die Zeche zahlen.
Vorbild norwegischer Staatsfonds
Auch der Versicherungsriese Allianz wendet sich zunehmend von Kohlegeschäften ab. „Der Klimawandel birgt enorme ökonomische und soziale Risiken“, mahnt Allianz-Chef Oliver Bäte. „Als ein führender Versicherer und Investor möchten wir den Übergang zu einer klimafreundlichen Wirtschaft vorantreiben.“
Der norwegische Staatsfonds hat sich schon vor einiger Zeit aus Kohlegeschäften zurückgezogen, da das Land mit seinen Öl- und Gasvorräten den mit fossilen Brennstoffen verbundenen Risiken besonders stark ausgesetzt ist.
Auch Hannover Rück plant Kohle-Ausstieg
Seit Ende 2015 legt die Allianz kein Geld mehr in Firmen an, die mehr als 30 Prozent ihres Umsatzes mit dem Abbau von Kohle oder der Produktion von Kohlestrom verdienen. Diese Obergrenze will die Allianz bis zum Jahr 2040 Schritt für Schritt auf null senken. Die erste Senkung auf dann 25 Prozent soll innerhalb von fünf Jahren erfolgen. Das heißt auch: Energiekonzerne wie RWE haben noch einige Jahre Zeit, sich auf die neuen Regeln einzustellen. Mit sofortiger Wirkung will die Allianz auf Investitionen in Konzerne verzichten, die durch „umfangreichen Zubau von Kohlekraftwerken“ auffallen.
Auch der Versicherer Hannover Rück plant einen Kohle-Ausstieg. In Unternehmen, deren Umsätze zu mehr als 25 Prozent von der Kohle abhängen, will der Finanzkonzern aus der Talanx-Gruppe kein Geld mehr stecken.
Axa und Zurich verschärfen die Regeln
Für Energie- und Rohstoffkonzerne wird auch die Versicherung bestimmter Projekte schwieriger. Neben der Allianz haben die Branchengrößen Axa und Zurich Restriktionen beschlossen. So will der französische Axa-Konzern den Bau neuer Kohlekraftwerke sowie das Geschäft mit ölhaltigen Sanden nicht mehr versichern.
„Banken, Investoren und Versicherer schauen inzwischen auch darauf, was die Effekte der Unternehmen sind, denen sie Geld leihen, in die sie investiert sind oder die sie versichern“, bemerkt Regine Richter von der Umweltschutzorganisation Urgewald. In der Versicherungsbranche habe sich in den vergangenen Jahren sehr viel bewegt. Eine Reihe von Konzernen ziehe ihre Geldanlagen aus Kohleunternehmen ab. „Das sind extrem starke Signale“, sagt Richter.
Energie- und Autokonzerne unter Druck
Branchenkenner betonten, aus Gründen der Risikostreuung sei es für Unternehmen wie die Allianz und Hannover Rück sinnvoll, Kohle-Investments zurückzufahren, da die Konzerne den finanziellen Risiken durch Stürme oder Überschwemmungen bereits auf der Versicherungsseite stark ausgesetzt sind. Klassische Vermögensverwalter oder Fondsgesellschaften wie Union Investment haben ein solches doppeltes Risiko nicht.
Union Investment hält sich von Unternehmen fern, die mehr als 30 Prozent ihres Umsatzes mit Kohleförderung erzielen. Fondsmanager Speich betont, bei einem gewissen Anteilsbesitz sei es möglich, bei Energie-, Auto- oder Stahlkonzernen auf einen Wandel hinzuwirken. „Wir führen mit den Unternehmen einen engen Dialog zu CO2-Themen und machen unseren Einfluss auf Hauptversammlungen geltend, um sie auf dem Weg zur schrittweisen Dekarbonisierung zu begleiten“, sagt Speich. Und so muss sich nicht nur Siemens-Chef Joe Kaeser bei der Hauptversammlung kritische Fragen von Speich gefallen lassen. Zum Beispiel: „Warum setzt Siemens noch so stark auf das Öl- und Gasgeschäft, das im Zuge der Dekarbonisierung zum Auslaufmodell wird?“