Essen. . Kliniken entdecken viele vermeidbare Verletzungen. BKK fordert nationales Pflegeregister, um auffällige Heime gezielter überprüfen zu können.

Waschen, füttern, auf die Toilette bringen, anders betten und dabei den älteren Menschen immer wieder heben – je mehr Heimbewohner der Hilfe bedürfen, desto mehr wird Pflege zum Knochenjob. Und wegen des wachsenden Personalmangels zum Kampf gegen die Uhr. Es fehlt wertvolle Zeit – etwa um den Bewohnern regelmäßig das Glas anzureichen, damit sie das Trinken nicht vergessen und austrocknen. Die Folgen lassen sich erahnen, nun aber auch in Zahlen fassen. Eine Studie der Betriebskrankenkassen zeigt enorme Unterschiede zwischen dem Zustand stationär und ambulant gepflegter Menschen, wenn sie ins Krankenhaus eingeliefert werden.

Sie leiden häufiger unter Flüssigkeitsmangel, Druckgeschwüren und Verletzungen aus Stürzen, die zum Teil unbehandelt und gar nicht der Grund für die Einweisung sind, sondern nebenbei entdeckt werden. Geschwüre (Dekubitus) treten umso häufiger auf, je höher der Pflegegrad ist, was in der Regel zu Bettlägerigkeit führt. Dehydriert kommen dagegen Menschen aller Pflegestufen in die Klinik.

Heimbewohner erhalten häufiger Beruhigungsmittel

Beim Landesverband BKK Nordwest, der die Daten ausgewertet hat, zeigte man sich nicht überrascht von den heiklen Ergebnissen. Dass etwa viele Heimbewohner Psychoeleptika gegen Unruhezustände erhielten, sei an sich nicht ungewöhnlich. „Dass sie aber weit häufiger als bei ambulant versorgten Menschen verabreicht werden, lässt sich medizinisch nicht erklären“, sagt der stellvertretende Vorsitzende Dirk Janssen. Der Grund dafür sei wohl eher in der Personalknappheit in den Altenheimen zu suchen.

Neben einer Aufwertung des Pflegeberufs, was nicht ohne höhere Beiträge gehen werde, fordern die Betriebskrankenkassen ein nationales Pflegeregister, um gezielter gegen sich häufende Missstände in einzelnen Heimen vorgehen zu können. Das sei nur möglich, wenn alle Kassen ihre anonymisierten Daten offenlegten. „Die Routinedaten der Krankenkassen sind ein Datenschatz, um Auffälligkeiten zu identifizieren. Er muss nur gehoben werden“, sagt BKK-Manager Janssen. So könne man gezielt und häufiger einzelne Heime unangemeldet überprüfen, deren Bewohner besonders häufig mit vermeidbaren Beschwerden ins Krankenhaus eingeliefert werden. „Das wäre viel besser als die jetzige, jährliche Routineprüfung nach dem Gießkannenprinzip.“

Nationale Pflegedatei könnte helfen

Die Diagnosedaten aus den Kliniken könnten auch wertvollere Erkenntnisse über die Qualität eines Heims oder eines ambulanten Dienstes liefern als die umstrittenen Pflegenoten, die etwa die Qualität des Essens genauso stark gewichten wie die der Pflege. Experten kritisieren das aktuelle Benotungssystem nach angekündigter Prüfung scharf, das in der Praxis fast immer zur Note 1 oder 2 führt. Michael Isfort vom Deutschen Institut für angewandte Pflegeforschung in Köln hielte eine Auswertung von Patientendaten für wichtig. Bisher fehle eine solche Datenbasis. „Sinnvolle, langfristig orientierte Entscheidungen der Politik sind so kaum möglich“, sagt er.

Mit den Daten der Kassen könnten Qualitätsparameter einzelner Heime entwickelt werden, welche die Pflegenoten „ablösen oder zumindest ergänzen“ könnten, um Pflegebedürftigen und ihren Angehörigen eine bessere Orientierung bei der Auswahl des Pflegeheims zu geben.

Weil sich der Personalmangel und damit die zu hohe Belastung in den Heimen und Pflegediensten nicht über Nacht lösen lasse, werde es Jahre dauern, „bis wir die Mängel beseitigen können“, sagt Janssen. Deshalb sei es umso wichtiger, das Pflegeregister jetzt anzugehen, um vorausschauender agieren zu können. „Die Politik sollte den Anstoß dafür geben.“