Essen. . Bernd Tönjes, der neue Mann an der Spitze des Großaktionärs RAG-Stiftung, gibt Evonik-Vorstandschef Christian Kullmann Rückendeckung.
Es war eine doppelte Premiere: Der erste Auftritt von Bernd Tönjes als Nachfolger von Werner Müller an der Spitze der RAG-Stiftung war zugleich die erste Bilanzvorlage im neuen Quartier auf dem Zollverein-Gelände in Essen – ein Anfang im Jahr des Abschieds von der Kohle. Tönjes, langjähriger Chef des Zechenkonzerns RAG, übernimmt nun eine neue Schlüsselrolle im Revier. Als Stiftungschef wacht er über er ein Vermögen von mehr als 17 Milliarden Euro – und als Aufsichtsratschefs beim Essener Chemiekonzern Evonik mischt Tönjes künftig entscheidend mit bei der Entwicklung eines der größten Arbeitgebers der Region.
Was die Strategie der RAG-Stiftung als wichtigster Anteilseigner von Evonik angehe, halte er es wie sein Vorgänger Müller, sagte Tönjes: „Wenn es Evonik gut geht, geht es der Stiftung gut.“ Und: „Es geht vor allem um Verlässlichkeit und Kontinuität. Dafür stehe ich.“
Ertragsbringer Evonik
Schon jetzt sei der Essener Chemiekonzern der größte Ertragsbringer der Stiftung, die vor allem den Zweck hat, die Kosten des Steinkohlenbergbaus nach der Schließung der letzten Zechen Ende dieses Jahres zu finanzieren. Allein im laufenden Jahr habe die Stiftung von Evonik mehr als 360 Millionen Euro als Dividende erhalten. Zum Vergleich: Ab 2019 rechnet Tönjes mit Kosten für die Stiftung in Höhe von 220 Millionen Euro. Im kommenden Jahr habe die Stiftung die ersten Rechnungen für die sogenannten Ewigkeitsaufgaben zu begleichen, dazu gehört insbesondere das Abpumpen von Grubenwasser.
Die Stiftung hält fast 70 Prozent der Aktien des Konzerns, der auch Sponsor von Borussia Dortmund ist, und sie ist zudem Großaktionär des Gelsenkirchener Wohnungskonzerns Vivawest. Darüber hinaus gehören zahlreiche Firmenbeteiligungen sowie Staats- und Unternehmensanleihen und Immobilien zum Portfolio. Vor wenigen Tagen ist die Stiftung auch bei der Deutschen Pfandbriefbank eingestiegen. Ziel seien breit gestreute Investments, erklärte Stiftungsfinanzchef Helmut Linssen. Derzeit mache Evonik noch 57 Prozent des Vermögens der Stiftung aus.
Beim Evonik-Aktienkurs „noch Luft nach oben“
Tönjes steht erst seit dem 9. Mai an der Spitze der RAG-Stiftung. Sein Vorgänger Müller, der als Erfinder des Stiftungsmodells gilt, hatte sich aufgrund einer schweren Erkrankung zurückgezogen. Das politisch besetzte Kuratorium sprach sich einstimmig für den gelernten Bergmann Tönjes aus. Mitglieder des Kuratoriums sind unter anderem NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU), Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) und Finanzminister Olaf Scholz (SPD).
In der Satzung der RAG-Stiftung steht das Ziel, den Anteil an Evonik auf 25,1 Prozent zu reduzieren. Zur Frage, wann sich die Stiftung von Anteilen trennen wolle, sagte Tönjes, es bestehe „in keiner Weise Zeitdruck“. Beim Aktienkurs von Evonik gebe es „noch Luft nach oben“. Ähnlich hatte sich zuletzt auch Müller geäußert. Seit geraumer Zeit liegt die Evonik-Aktie unter dem Ausgabekurs von 33 Euro beim Börsenstart im Frühjahr 2013. Tönjes gab Evonik-Vorstandschef Christian Kullmann Rückendeckung. Der Konzern sei auf einem „guten und erfolgreichen Weg“, auch der geplante Verkauf des Methacrylat-Geschäft mit der Traditionsmarke Plexiglas sei richtig. 3700 der weltweit 36.500 Evonik-Mitarbeiter gehören zu diesem Bereich. Etwa jeder zehnte Beschäftigte des Essener Chemiekonzerns könnte also bald einen neuen Arbeitgeber bekommen.
Aufstieg in den Dax „kein Selbstzweck“
„Evonik soll profitabel wachsen und verlässlich Dividenden zahlen“, gab Tönjes als Ziel aus. Wichtig sei, „dass der Wert des Unternehmens steigt“. Dann könne „ganz am Ende“ auch ein Aufstieg von Evonik in den Deutschen Aktienindex (Dax) stehen. Dies sei aber „kein Selbstzweck“. Bislang ist Evonik lediglich im MDax, wo vor allem mittelgroße Konzerne notiert sind. Vorstandschef Kullmann hat das Ziel ausgerufen, Evonik zum „besten Spezialchemiekonzern der Welt“ zu machen.
Die Zahl der Bergleute auf den Schachtanlagen in Bottrop und Ibbenbüren geht derweil kontinuierlich zurück. Zum Ende des Jahres werden aber immerhin noch 3500 Mitarbeiter bei der RAG beschäftigt sein, berichtete RAG-Stiftungsvorstand Bärbel Bergerhoff-Wodopia. Nach dem Ende der Zechen soll sich die RAG dauerhaft insbesondere um die Alt- und Ewigkeitslasten des Bergbaus kümmern – mit rund 470 Mitarbeitern auf dem Zollverein-Areal und dem Gelände des ehemaligen Bergwerks Pluto in Herne.
Zu den Aufgaben der RAG-Stiftung gehört auch die Förderung von Bildung, Wissenschaft und Kultur in den Kohleregionen. Im vergangenen Jahr sei das Budget dafür um drei Millionen Euro auf 16,5 Millionen Euro erhöht worden.