Leverkusen. . Mit der Übernahme des US-Saatgutriesen Monsanto wird der Konzern Bayer das größte Agrochemie-Unternehmen der Welt. Umweltschützer sind skeptisch.
Bayer ist am Ziel: Mit der Übernahme des umstrittenen US-Saatgutriesen Monsanto wird der Dax-Konzern das größte Agrochemie-Unternehmen der Welt. Bayer entwickelt sich zu einem entscheidenden Akteur im Geschäft mit Landwirten rund um den Globus. Der Name Monsanto soll schnell verschwinden.
Was hat Bayer vor?
Mit der Monsanto-Übernahme wird Bayer zum weltgrößten Anbieter von Pflanzenschutzmitteln und Saatgut. Der rund 63 Milliarden Dollar schwere Zukauf des Dax-Konzerns ist nicht nur die größte Übernahme in der Geschichte von Bayer, sondern auch die bislang teuerste Übernahme eines deutschen Unternehmens überhaupt. Rekordhalter war bislang Daimler mit dem Kauf des US-Autokonzerns Chrysler – ein Projekt, das zum Inbegriff einer gescheiterten Großfusion geworden ist.
Warum nimmt Bayer so viel Geld für Monsanto in die Hand?
Bayer geht von einem rasant wachsenden Markt aus. Im Jahr 2050 werden nach Schätzungen des Konzerns fast zehn Milliarden Menschen auf der Erde leben – 2,2 Milliarden mehr als heute. Gleichzeitig lasse sich die landwirtschaftlich nutzbare Fläche kaum mehr ausweiten, und Ernten würden zunehmend durch Wetterextreme sowie den Klimawandel bedroht, analysiert Bayer-Spartenchef Liam Condon. Auf eine entsprechend große Nachfrage im Geschäft mit Produkten, die den Anbau auf den Feldern effizienter machen, setzt Bayer.
Wie steht es um den Wettbewerb in der Branche?
Bayer muss sich gegen mächtige Rivalen behaupten. In dem Milliardengeschäft mit Agrochemie hatten sich unlängst auch die US-Konzerne Dupont und Dow sowie Chemchina und die Schweizer Syngenta verbündet. Nun steigt die Marktmacht von Bayer mit Monsanto erheblich. „Die wachsende Konzentration im Agrochemie-Geschäft verschärft einen gefährlichen Trend, an dessen Ende nach dem Willen der Agrarkonzerne die Kontrolle über die Zukunft unserer Ernährung steht“, sagt Dirk Zimmermann von der Umweltschutzorganisation Greenpeace. Bayer-Chef Werner Baumann beteuert hingegen, der Monsanto-Deal ermögliche es dem Konzern, „noch besser dabei zu helfen, gesunde, sichere und erschwingliche Lebensmittel“ herzustellen.
Wie funktioniert die Transaktion?
An diesem Donnerstag möchte Bayer die Monsanto-Übernahme vollenden. Rund 57 Milliarden Dollar – das ist der Baranteil der Übernahmekosten – will Bayer am Donnerstagvormittag amerikanischer Zeit mit Hilfe der beteiligten Banken auf einen Schlag von Europa in die USA überweisen. Bayer wird dann zum alleinigen Eigentümer von Monsanto. Der Name des US-Konzerns soll vom Kurszettel an der Wall Street in New York verschwinden.
Woher kommt das Geld?
Unter anderem von den Aktionären, die Finanzmittel durch eine Kapitalerhöhung beisteuern. Darüber hinaus plant Bayer Anleiheplatzierungen in US-Dollar und Euro, deren Gesamtvolumen sich auf bis zu 20 Milliarden Euro belaufen soll. Eine wichtige Rolle spielt auch der Singapur-Staatsfonds Temasek, der groß bei Bayer einsteigt – mit 3,6 Prozent der Aktien des Dax-Konzerns. Mit dem Monsanto-Kauf übernimmt Bayer auch hohe Schulden des US-Unternehmens.
Wie verändert sich der Bayer-Konzern durch Monsanto?
„Bayer wird Bayer bleiben“, beteuert Konzernchef Baumann, doch das Unternehmen aus Leverkusen verändert sich gleichzeitig massiv. Das Bayer-Agrargeschäft wird durch den Zukauf verdoppelt – damit verschieben sich die Gewichte im Konzern des Aspirin-Herstellers, der bislang stark vom Pharmageschäft geprägt wird. Inklusive Monsanto sind die Geschäftsbereiche Gesundheit und Ernährung künftig bei Bayer etwa gleich groß.
Warum soll der Name Monsanto verschwinden?
Monsanto steht unter anderem wegen ruppiger Geschäftspraktiken und dem umstrittenen Unkrautvernichter Glyphosat unter Beschuss. Glyphosat wird von Kritikern für das Artensterben und die Entstehung resistenter Unkräuter verantwortlich gemacht. Es steht zudem in Verdacht, krebserregend zu sein. Während der Name Monsanto nach der Übernahme verschwindet, sollen die zugekauften Produkte laut Bayer ihre Namen behalten. Ein umsatzstarkes Monsanto-Produkt ist „Roundup“ mit Glyphosat als Kernbestandteil. „Es ist nachvollziehbar, dass Bayer vermeiden will, mit den für die Übernahme ausgegebenen Milliarden auch noch das negative Image von Monsanto mit eingekauft zu haben. An den problematischen Folgen der Fusion ändert sich dadurch aber gar nichts“, urteilt Dirk Zimmermann von Greenpeace. Bayer-Chef Baumann sagt, der Konzern wolle „Kritikern zuhören und mit ihnen zusammenzuarbeiten“, wo es eine gemeinsame Basis gebe.
Welche Folgen hat die Übernahme für Umwelt und Verbraucher?
„Sowohl Bayer als Monsanto stehen weltweit für einen Intensivanbau landwirtschaftlicher Nutzpflanzen unter Einsatz von Agrochemikalien und Gentechnik“, sagt Ralf Bilke, Agrarreferent des Umweltverbands BUND in NRW. Viele Probleme wie der Verlust der biologischen Vielfalt seien dieser Art von Landbewirtschaftung geschuldet. Die Übernahme von Monsanto zementiere dieses Agrarmodell und führe zu einer weiteren Konzentration bei Saatgut, Pestiziden und Patenten. Bayer nehme in Zukunft eine Schlüsselstellung ein, wenn es um die Agrarproduktion und Nahrungsmittelsicherheit gehe. Bilke sagt, er befürchte daher, dass der Einfluss des Konzerns auf politische Entscheidungen im Umwelt- und Verbraucherschutz weiter wachsen werde.
Gibt es Auflagen der Wettbewerbshüter für Bayer?
Die vor zwei Jahren angekündigte Übernahme ist einer strengen Prüfung unterzogen worden. Da Bayer und Monsanto fast rund um den Globus Geschäfte machen, mussten Genehmigungen in rund 30 Ländern eingeholt werden. „Allein bei der Europäischen Kommission und dem Department of Justice in den USA haben wir schätzungsweise rund 40 Millionen Seiten eingereicht“, sagt Bayer-Chef Baumann. „Würde man sie alle ausdrucken und aneinander reihen, käme man von Leverkusen nach St. Louis – und fast wieder zurück.“ Eine Auflage ist eine Trennung von Teilen des Saatgut-Geschäfts. Käufer ist der Rivale BASF, der rund 7,6 Milliarden Euro an Bayer zahlt. Mit der Integration des Monsanto-Konzerns kann Bayer erst beginnen, sobald BASF den Erwerb abgeschlossen hat. Bayer rechnet damit in etwa zwei Monaten.
Sind Stellenstreichungen nach der Übernahme geplant?
Das lässt der Bayer-Chef noch offen. Baumann erwartet, dass die Übernahme ab 2022 jährlich 1,2 Milliarden US-Dollar zum operativen Gewinn beitragen wird. An welcher Stelle genau die Kosten sinken sollen, sagt Baumann nicht. Unter dem Strich soll die Belegschaft von Bayer durch die Monsanto-Übernahme wachsen. Derzeit beschäftigt der Dax-Konzern rund 100.000 Mitarbeiter, nach dem Deal sollen es etwa 115.000 Menschen sein. Allein in NRW gehören rund 23.000 Beschäftigte zu Bayer, davon rund 12.000 in Leverkusen. Der Bayer-Standort Monheim am Rhein mit derzeit 2100 Mitarbeitern wird durch den Monsanto-Deal aufgewertet, denn hier befindet sich der weltweite Sitz der zuständigen Konzernsparte Crop Science.