Essen. . Um neuen Mitarbeitern weniger zahlen zu müssen, sollen sie den Tarif der Kleingewerkschaft DHV erhalten. Doch die hat nun alle Verträge gekündigt

Die seltene Einigkeit von Verdi und einer christlichen Gewerkschaft bringt den Handelsriesen Metro und seine SB-Warenhauskette Real in eine verfahrene Lage: Die Ausgliederung der 34 000 Mitarbeiter in die Untergesellschaft Metro Services droht ins Leere zu laufen. Auf diese Weise wollte das Management Real den dort geltenden Tarifvertrag mit der christlichen Gewerkschaft DHV überstülpen, wenn auch nach eigener Aussage nur für neue Mitarbeiter. Doch nicht nur Verdi verurteilt dieses Vorgehen als Tarifflucht, sondern auch besagte DHV.

Die kleine, bei Real kaum vertretene Gewerkschaft hat nun ihrerseits „sämtliche Tarifverträge mit sofortiger Wirkung“ gekündigt, wie sie gestern mitteilte. Die langjährige Partnerschaft mit Metro Services, in der bisher nur rund 600 Verwaltungs-Mitarbeiter beschäftigt sind, werde „wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage“ beendet, wie DHV-Vorsitzender Henning Röders dieser Zeitung erklärte. „Die DHV ist nicht Bestandteil des falschen Spiels der Metro. Winkelzüge zum Drücken der Gehälter trägt die DHV nicht mit.“

Real reagierte prompt und erklärte, man werde an der „Abspaltung des Geschäftsbetriebs von Real auf die Metro Services festhalten“. Den DHV-Tarif, der nach Verdi-Lesart um durchschnittlich 24 Prozent unter den Löhnen im Flächentarif liegt, will Real trotzdem für „einzustellende Mitarbeiter“ nutzen. Er komme „auch nach einer Kündigung durch die DHV weiterhin zur Anwendung, solange kein neuer Tarifvertrag abgeschlossen“ sei, sagte ein Real-Sprecher. Alle heutigen Real-Mitarbeiter würden beim Betriebsübergang weiter nach Verdi-Tarif bezahlt.

Real wolle nun mit der DHV über „eine langfristige, nachhaltige Tarifpartnerschaft“ verhandeln, mit dem Ziel „wettbewerbsfähiger Arbeitsbedingungen“, sprich niedrigerer Löhne. Um aus dem Flächentarif herauszukommen, hatte Real bereits den Handelsverband HDE verlassen, der mit Verdi für die gesamte Branche verhandelt.

Verdi sieht keinerlei Berührungspunkte mit der christlichen Gewerkschaft

Verdi sieht deshalb jenseits der harschen Kritik am Vorgehen der Konzernführung auch keinerlei Berührungspunkte mit der christlichen Gewerkschaft. Schließlich will die DGB-Gewerkschaft die DHV höchstrichterlich für tarifunfähig erklären lassen. Hinter der Kündigung der Metro-Verträge wittert Verdi denn auch eher Taktik: „Beide Seiten gehen mit einer Kündigung keine Risiken ein, schließlich endet der DHV-Entgelttarifvertrag mit Metro Services erst im März 2019 und der Manteltarifvertrag wirkt unbegrenzt nach“, sagte ein Verdi-Sprecher dieser Zeitung. Und: „Für uns sieht das nach einer gemeinsamen Mitgliederwerbeaktion von DHV und Real aus.“

Verdi sieht sich trotz der Ausgliederung und des Austritts aus dem Arbeitgeberverband weiter als ersten Ansprechpartner: „Wir sind bei Real gut organisiert und werden deshalb die Beschäftigten weiter vertreten – egal, in welche Gesellschaft sie verschoben werden. Deshalb steigen unsere Mitgliederzahlen in den letzten Wochen auch.“

Die unter anhaltender Umsatzschwäche leidende Warenhaus-Billigkette will dagegen nach wie vor nur mit der Kleingewerkschaft DHV reden. Zugleich betonte der Sprecher gestern: „Anders als Wettbewerber wollen wir keine dauerhafte Tariflosigkeit.“