Berlin. Ob Aushilfskellner, Putzhilfen, Kurierfahrer, Spargelstecher oder Hausmeister – viele Beschäftigte werden nicht nach gewerkschaftlichen Tarifen, sondern nach frei ausgehandelten Löhnen bezahlt. Um Lohndumping zu vermeiden, gilt seit 2015 in Deutschland ein gesetzlicher Mindestlohn.
Ob Aushilfskellner, Putzhilfen, Kurierfahrer, Spargelstecher oder Hausmeister – viele Beschäftigte werden nicht nach gewerkschaftlichen Tarifen, sondern nach frei ausgehandelten Löhnen bezahlt. Um Lohndumping zu vermeiden, gilt seit 2015 in Deutschland ein gesetzlicher Mindestlohn.
Nach drei Jahren Erfahrung haben Wissenschaftler der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung nun in einer Studie eine tendenziell positive Bilanz gezogen: „Der Mindestlohn hat sich bewährt und zu einem deutlichen Anstieg der Löhne im Niedriglohnsektor geführt, ohne dass die Zahl der Beschäftigten abgenommen hat“, lautet die Kernbotschaft des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) sowie des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI). Gleichzeitig sei der Mindestlohn jedoch selbst bei einer Vollzeitbeschäftigung noch zu niedrig – und reiche in vielen Großstädten nicht zur Existenzsicherung aus. Rund 190 000 Beschäftigte seien „Aufstocker“ und auf Hartz-IV-Leistungen angewiesen. Die wichtigsten Erkenntnisse im Überblick:
Mindestlohn reicht in vielen Städten nicht zur Existenzsicherung
Die Höhe des Mindestlohns wird alle zwei Jahre neu festgesetzt. Basis ist der Vorschlag der Mindestlohnkommission aus Gewerkschaftern, Arbeitgebern und Wissenschaftlern. Bei der Einführung im Jahr 2015 lag der Betrag bei 8,50 Euro, 2017 wurde er auf 8,84 Euro angehoben. Kommenden Januar steht die nächste Erhöhung ins Haus. Legt man den Tarifindex – also die Tariferhöhungen für 2016 und 2017 – zugrunde, müsste der Mindestlohn laut Statistischem Bundesamt 2019 um 4,8 Prozent auf 9,19 Euro steigen. Doch selbst dieser Betrag wäre aus Sicht der Wissenschaftler zu gering. Denn schon heute reicht der Stundensatz bei einer Vollzeitstelle mit 37,7 Wochenstunden nicht aus, um davon den Lebensstandard sichern zu können. Der im Mindestlohngesetz (MiLoG) geforderte „angemessene Mindestschutz“ wäre in München erst erreicht, wenn ein Mindestlohn von 12,77 Euro gezahlt würde. In Berlin wären 9,35 Euro und in Essen 9,30 Euro nötig – nur in Leipzig wären die Lebenshaltungskosten mit einem Stundensatz von 8,48 Euro abgedeckt. In 19 der 20 größten Städte reicht der aktuelle Mindestlohn dagegen nicht, so die Studie. Grund dafür seien auch die hohen Mietpreise.
„In einigen Großstädten mit extrem hohen Lebenshaltungskosten sollte erwogen werden, zusätzlich zum flächendeckenden Mindestlohn Ortszuschläge zu zahlen“, empfiehlt der Leiter des WSI, Thorsten Schulten. Dabei könnten die USA ein Vorbild sein. „Auch dort werden die Mindestlöhne nach einem mehrstufigen System festgelegt. So gibt es unter anderem höhere Ortszuschläge in San Francisco und New York.“
Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) hatte sich im Winter – vor seiner Amtseinführung – für eine Anhebung auf zwölf Euro ausgesprochen. Auch Schulten ist überzeugt: „Angesichts der guten wirtschaftlichen Rahmenbedingungen sollten die Mindestlöhne überdurchschnittlich angehoben werden.“
Frauen arbeiten häufiger in schlechter bezahlten Jobs
Niedrige Bezahlung ist vor allem ein Problem von Frauen. In Deutschland arbeiten nach Zahlen der OECD 26,5 Prozent der weiblichen Vollzeitkräfte im Niedriglohnbereich. Zum Vergleich: Unter Männern sind es nur 14,8 Prozent. Eine Ursache sei, dass Frauen öfter in schlechter bezahlten Dienstleistungen arbeiten – als Friseurin oder im Handel. Zudem malochen sie häufiger als Putzkraft oder Pflegerin in Privathaushalten. Mindestlöhne seien deshalb ein wichtiger Beitrag, so die Forscher, Frauen zu besserer Bezahlung zu verhelfen.
Viele Unternehmen unterlaufen Mindestlohngesetz
Bundesweit verdienen laut Mindestlohnkommission etwa vier Millionen Menschen weniger als 8,50 Euro die Stunde (Stand 2014). Acht Prozent der Beschäftigten mit Anspruch auf Mindestlohn werden trotz Gesetz nicht danach bezahlt, sondern geringer. So erhalten 42,6 Prozent aller Beschäftigten in Privathaushalten, wie Putzkräfte, Gärtner, Pflegekräfte oder Hausaufgabenhilfen weniger Geld, so die Studie. In Hotels und Gaststätten sind es 34,2 Prozent und im Einzelhandel 16,8 Prozent. Um diesem Missbrauch entgegenzuwirken, fordern die Forscher mehr Betriebskontrollen und eine personelle Aufstockung der zuständigen Finanzkontrolle Schwarzarbeit.
Bessere Bezahlung in niedrigen Lohngruppen
Der Mindestlohn hat zu überdurchschnittlichen Erhöhungen in den unteren Lohngruppen geführt. Wer zu den einkommensschwächsten fünf Prozent gehörte, erhielt 2014 einen Stundenlohn von maximal 6,83 Euro. Zwei Jahre später waren es 7,58 Euro und damit elf Prozent mehr. Beim unteren Zehntel betrug der Lohnzuwachs in dem Zeitraum 8,7 Prozent.