Düsseldorf. . Im Kampf gegen die Wohnungsnot fordert LEG-Chef Thomas Hegel von der Politik mehr Mut, neue und bezahlbare Bauflächen auszuweisen.

Seit zehn Jahren ist die einstige Landesentwicklungsgesellschaft LEG in privater Hand. Mit dem Vorstandsvorsitzenden Thomas Hegel spricht Frank Meßing über den seinerzeit umstrittenen Verkauf, Wohnungsnot in NRW und LEG-Pläne, neue Geschäftsfelder zu erschließen.

Herr Hegel, die LEG ist seit nunmehr zehn Jahren kein landeseigenes Unternehmen mehr. Fühlen Sie sich bei ihren neuen Eigentümern und an der Börse wohl?

Thomas Hegel: Wir fühlen uns besser denn je. Die Privatisierung der LEG ist eine Erfolgsgeschichte. Sie hat das Unternehmen gerettet. Ohne den Verkauf würde es die LEG heute nicht mehr geben. Bis 2008 gab es einen enormen Modernisierungsstau und die Firma war extrem hoch verschuldet. Zehn Jahre später haben wir uns so gesehen vom Patienten zum Leistungssportler entwickelt – mit einer gesunden Bilanz, und wir müssen Investitionen nicht mehr über den Verkauf von Wohnungen finanzieren. Seither hat sich die Eigenkapitalquote des LEG-Konzerns von damals rund zehn Prozent nach deutschen Bilanzierungsregeln (HGB) auf heute über 41 Prozent nach internationalen Rechnungslegungsstandards (IFRS) erhöht.

Dennoch gab es erheblichen Protest gegen die Privatisierung – nicht nur von Mieterschützern. Sie hätten die damals 92 000 Wohnungen lieber weiter in Landeshand gesehen.

Die Vorbehalte gegen Finanzinvestoren als Gesellschafter der LEG waren unbegründet. Seit unserem Börsengang im Februar 2013 gibt es keinen Einfluss auf unsere Geschäftspolitik. Unsere Aktionäre sind breit gestreut und beanspruchen daher auch keine Sitze in Aufsichtsgremien. Seit der Privatisierung sind wir auf über 130 000 Wohnungen gewachsen. Die allermeisten davon sind in NRW. Mit einer Durchschnitts-Kaltmiete von 5,46 Euro pro Quadratmeter liegt die LEG einen ganzen Euro unter dem Landesschnitt. Und wir haben die Zahl der Mitarbeiter von damals 850 auf 1300 gesteigert.

LEG-Chef Thomas Hegel im Gespräch mit der WAZ.
LEG-Chef Thomas Hegel im Gespräch mit der WAZ. © Kai Kitschenberg

Im Sommer läuft die „Sozialcharta“ aus, die Mieter und Mitarbeiter schützt. Was kommt danach?

Die LEG ist ein verantwortungsbewusstes Unternehmen für Mieter und Mitarbeiter – das gilt vor wie nach der Zeit der Sozialcharta. Denn jede Mieterhöhung unterliegt weiterhin den gesetzlichen Bestimmungen. Und natürlich bestehen für alle Mitarbeiter weiterhin die umfassenden gesetzlichen Arbeitnehmerrechte. Darüber hinaus fallen rund 30 Prozent unserer aktuellen Mieter und Wohnungen nicht unter die Regelungen der Sozialcharta, sondern „nur“ die 93 000, die wir zum Zeitpunkt des Verkaufs betreut und bewirtschaftet haben. Bei unseren Mitarbeitern sind es noch rund 40 Prozent.

Experten sagen, dass in NRW bis zu 250 000 Sozialwohnungen fehlen. Braucht es nicht eine landeseigene Gesellschaft, die dagegen gesteuert?

Mit Verlaub – die öffentliche Hand kann das nicht. Die alte LEG war doch der Beweis dafür. Wir haben bis 2008 gesehen, wie sich politische Anliegen mit wirtschaftlichem Denken beißen. Es ist nicht Aufgabe des Staates, Wohnungen zur Verfügung zu stellen. Der Staat sollte Rahmenbedingungen für ein positives Investitionsklima schaffen. Hilfreich wäre, wenn die Kommunen ihre Grundstücke preiswerter abgeben würden, damit darauf gebaut werden kann. Überdies muss die Politik mehr Bauflächen ausweisen. Doch dafür fehlt ihr oftmals der Mut, weil sie Anwohner-Proteste fürchtet.

Wir müssen die Randgebiete wie den Niederrhein stärken

Was muss passieren, dass die Wohnungsnot gelindert wird und die Mieten mancherorts nicht mehr so exorbitant steigen?

In Metropolen wie Düsseldorf und Köln mit ihrer immensen Nachfrage gibt es keine Wohnungen für fünf Euro pro Quadratmeter Kaltmiete mehr. In Randbereichen wie der Eifel und dem Niederrhein droht dagegen ein Wertverfall der Immobilien. Diese Randgebiete müssen wir durch eine bessere Infrastruktur und Glasfaser-Anschlüsse stärken, um Arbeitsplätze dort hin zu holen. Es ist schier ausgeschlossen, dass die Bauwirtschaft in kurzer Zeit 250 000 Wohnungen in NRW schaffen kann.

Und was tut die LEG?

In den vergangenen zehn Jahren haben wir rund 40 000 Wohnungen dazu gekauft. 800 bis 1000 können wir durch Nachverdichtung in unseren Siedlungen neu schaffen. Wir wollen unseren Bestand moderat weiter entwickeln. Neu gebaute Wohnungen können wir wirtschaftlich nicht unter elf oder zwölf Euro pro Quadratmeter anbieten. Die Flächen sind einfach zu teuer. Auch die Baukosten sind zu hoch. Immerhin will die neue Bundesregierung die energiesparenden Vorschriften nicht noch weiter verschärfen. Eine immer dickere Fassaden-Dämmung verteuert den Neubau, bringt aber nichts. Wir brauchen eher effizientere Heizsysteme.

Neue Geschäftsfelder, Wohnen bleibt Kerngeschäft

Dafür will die Große Koalition Vermietern nur noch die Umlage von acht statt bislang elf Prozent von Modernisierungskosten auf die Mieten zugestehen, um Luxus-Sanierungen zu verhindern. Was bedeutet die Neuregelung für Sie?

Die elf Prozent haben wir in den seltensten Fällen komplett umgelegt. Mit den acht Prozent können wir knapp zurechtkommen. Dennoch ist die Neuregelung investitionsfeindlich. Dahinter steckt doch das Misstrauen der Politik, dass die Wohnungsunternehmen zu viel Miete einnehmen. Aber warum sollten wir unsere treuen Mieter durch Luxusmodernisierungen vertreiben wollen?

Schauen wir in die Zukunft. Die LEG will das Wohnen digitalisieren. Wie soll das aussehen?

Wir sind das einzige Unternehmen in der Branche, das sich so deutlich ein Innovations-Management auf die Fahnen geschrieben hat. Wir wollen die Digitalisierung nutzen, um uns neue Geschäftsfelder zu erschließen. Wohnen bleibt unser Kerngeschäft. Aber per Funk und App sollen Mieter beispielsweise künftig einen Einkaufs- oder Bügelservice ordern können. Über Partner vermitteln wir in einem Pilotprojekt Pflege- und Betreuungskräfte. Wir können uns auch vorstellen, mit anderen zusammen unseren Mietern E-Mobilität anzubieten.