Hagen. . Acrymalid ist vermutlich krebserregend. Die Reduzierung des Stoffes in Lebensmitteln stockte zuletzt. Perfekte Lösungen gibt es noch nicht.
Der ganz große Aufschrei gegen das vermeintliche Bürokratiemonster aus Brüssel ist schon wieder verhallt. Vielleicht, weil der Stoff Acrylamid mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit krebserregend und zudem in rund der Hälfte aller Lebensmittel enthalten ist, die wir täglich zu uns nehmen. Das schmeckt wohl niemandem.
In genau einer Woche, am 11. April, tritt nun die neue Verordnung der Europäischen Union zum Schutz der Verbraucher in Kraft, um den umstrittenen Stoff Acrylamid in Pommes Frites, Aufbackbrötchen, Toast oder Beilagen wie Kroketten sowie in Keksen, gerösteten Cerealien und natürlich in Kartoffelchips weiter zu reduzieren, Kaffee nicht zu vergessen. Seit Bekanntwerden des Problems Anfang des Jahrtausends gelang es der Industrie, die Werte kontinuierlich zu senken – bis vor rund fünf Jahren.
Gefährlicher als Stickoxide
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„Plötzlich stockte die positive Entwicklung. Acrylamid ist nicht nur wesentlich gefährlicher als das aus dem Eier-Skandal bekannte Fipronil und das Pflanzenschutzmittel Glyphosat zusammen, sondern beispielsweise auch als Stickoxide“, erläutert Südwestfalens CDU-Europaabgeordneter Peter Liese. Seine These hängt nicht zuletzt mit der Menge an Essen zusammen, in der dieser Stoff vorkommt, der abhängig vom Zucker- und Stärkegehalt der Nahrungsmittel mehr oder weniger häufig vorkommt. Experten empfehlen daher beispielsweise festkochende Kartoffel zu essen, weil sie weniger Stärke enthalten. Rösten, Frittieren und Backen lassen Acylamid entstehen. Steigt die Temperatur über 170 bis 180 Grad, steigt der Wert sprunghaft.
Es gilt als höchst wahrscheinlich, dass der Stoff krebserregend beim Menschen wirkt. „Dennoch, die genaue Wirkung ist noch nicht geklärt“, sagt Isabel Hausmann, stellvertretende Geschäftsführerin des Hotel- und Gaststättenverbandes (Dehoga) Nordrhein. Der Verband war zunächst auch der Auffassung, dass die EU ein neues „Bürokratiemonster“ auf die Reise schicken würde. Mit der Verordnung in der jetzigen Form können die Restaurant- und Imbissbetreiber aus Hausmanns Sicht aber leben. Im Gegensatz zu industriellen Herstellern von Chips und Co. müssen sie lediglich Empfehlungen befolgen.
Backzeiten und Temperaturen anpassen
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Auch die etwas skurril anmutende Idee, mit einer Farbkarte Pommes oder Brot auf Unbedenklichkeit prüfen zu können, ist vom Tisch. „Das war ein unsinniger Versuch“, sagt Heribert Kamm, Bäckerei-Oberinnungsmeister aus Hagen. Stattdessen sei man nun dabei, für die Beschäftigten Protokolle anzufertigen, um im Produktionsablauf so wenig wie möglich Acrylamid entstehen zu lassen, sprich Backzeiten und Temperaturen anzupassen. „Allerdings muss man wissen, dass ein Berliner bei niedrigerer Temperatur mehr Fett aufnimmt. Und am Ende soll das Produkt auch noch schmecken“, sagt Kamm.
In Sachen Brotfarbkarte gibt Liese dem Oberinnungsmeister recht. Backe man einen dunklen Teig, entstehe deshalb nicht automatisch Acrylamid. Die Verordnung sei aber in jedem Fall vernünftig. „Gerade bei jungen Leuten, die sehr viel Fast Food und Chips essen, ist die Konzentration dieses Stoffes im Körper relativ hoch“, mahnt Liese.