Witten. . Baumot Technologie in Witten hat ein serienreifes Nachrüst-Kit für den VW Passat entwickelt. Im Moment sorgt ein wichtiger Punkt für Probleme.

Die Automobilindustrie tritt beim Thema Schadstoffreduktion durch Nachrüstung voll auf die Bremse – und die deutsche Politik hält auch nach dem Urteil des Leipziger Bundesverwaltungsgerichtes und drohenden Dieselfahrverboten den Fuß weiter mächtig mit auf das gleiche Pedal. Dabei ist es technisch offenbar überhaupt kein Problem, Diesel-Pkw effizient sauberer zu machen. In Witten haben die Ingenieure des Unternehmens Baumot Technologies längst ein Seriennachrüstsystem für Diesel-Volumenmodelle parat, das beispielsweise für einen VW Passat rund 1500 Euro plus Einbau kosten würde.

Kit für den Passat kostet 1500 Euro

„Wir haben als erstes einen VW genommen, um der Marke eine Lösung für die USA zu bieten“, sagt Henning Middelmann, Geschäftsführer von Baumot Technologie. Der ehemalige Daimler-Ingenieur arbeitet seit zehn Jahren für das Unternehmen und nimmt beim Thema Schadstoffreduktion kein Blatt vor den Mund. VW habe den Betrug wenigstens zugegeben, alle anderen beriefen sich auf Bauteilschutz. Sie ließen sich immer nur so weit in die Karten schauen, wie ihnen bereits Falschangaben bei Verbräuchen und Schadstoffaustößen nachgewiesen worden seien.

Nach dem Kit für den VW Passat arbeitet Baumot an weiteren Nachrüstsätzen für Volumenfahrzeuge wie den Opel Astra. Zwei Mitarbeiter bauen das System in ein Testfahrzeug für das bayerische Landesamt für Umwelt ein.
Nach dem Kit für den VW Passat arbeitet Baumot an weiteren Nachrüstsätzen für Volumenfahrzeuge wie den Opel Astra. Zwei Mitarbeiter bauen das System in ein Testfahrzeug für das bayerische Landesamt für Umwelt ein. © Lars Heidrich

Die Diskussion um Hardwarenachrüstung könnte längst beendet sein. Allerdings fehlt eine Gesetzgebung, die die Nachrüstung überhaupt erst erlaubt. „Aktuell darf kein nachgerüstetes, sauberes Fahrzeug auf öffentlichen Straßen in Deutschland fahren“, erläutert Middelmann. Mit dem Eingriff ins Abgassystem erlischt die Zulassung.

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Alle Pkw, die Baumot bislang nachgerüstet hat, fahren mit einer Sondergenehmigung zu Testzwecken. Zum Beispiel ein Opel Astra 1,7 Diesel, der gerade für das Landesumweltamt Bayern umgerüstet wird. So ein kleiner Wagen stoße ohne Nachrüstung im Straßenverkehr heute etwa doppelt so viele Stickoxide aus wie ein moderner 40-Tonner Lkw, obwohl der Laster ein Vielfaches an Diesel verbrennt.

Technik exisitiert aber ist nicht zugelassen

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Ein weiterer Skandal aus Sicht der Wittener Ingenieure ist es, dass die Automobilhersteller munter weiter Fahrzeuge bauen dürfen, die die notwendigen Werte bei weitem nicht erreichen. „Im Moment gibt es nur zwei oder drei Fahrzeuge, die die Euro 6d-Norm schaffen“, weiß Middelmann. Und trotz drohender Fahrverbote sind die Hersteller erst ab 2021 verpflichtet, tatsächlich diese Norm zu erfüllen und im Realbetrieb die Grenzwerte einzuhalten (siehe Box). „Die Politik stellt sich vor die Hersteller“, kritisierte Middelmann, der mit Blick auf die NOx-Nachrüstkits noch weiter geht: „Es gibt die Technik, aber sie wird nicht zugelassen und eingebaut, weil die Gier gewinnt.“

Busse und LKW sind in der Entwicklung weiter

Das Herzstück des Nachrüstsystems ist der beheizbare Ammoniakgenerator (im Bild links). Dass viele Hersteller verschiedene Pkw auf gleichen Plattformen bauen, erleichtert die Entwicklung von Nachrüstkits.
Das Herzstück des Nachrüstsystems ist der beheizbare Ammoniakgenerator (im Bild links). Dass viele Hersteller verschiedene Pkw auf gleichen Plattformen bauen, erleichtert die Entwicklung von Nachrüstkits. © Lars Heidrich

Die Kehrseite: Flächendeckende Gesundheitsgefährdung, die nicht sein müsste. Ebenso wenig wie Fahrverbote notwendig wären, wenn die Technik angewendet werden dürfte. Bei Bussen und Lkw scheint die Entwicklung hier deutlich weiter zu sein. „Wir rechnen im April mit einer deutschen Zulassung für unser Nachrüstsystem“, sagt Middelmann.

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Im Prinzip ist es das gleich wie beim Pkw, nur in groß – und längst erprobt, allerdings im Ausland. Baumot rüstet seit 2013 Busse mit diesen den Abgasnachbehandlungssystemen aus; in London beispielsweise gemeinsam mit weiteren Anbietern wie dem Mendener Unternehmen HJS. „Wir verdienen im Moment Geld im europäischen Ausland. Alles, was wir hier mit Pkw machen, ist momentan noch Hobby. Da gibt es noch keinen Markt“, sagt Middelmann – klar, wenn die Gesetzgebung fehlt.

Nachrüstung lohnt sich finanziell

Dabei stünden beinahe täglich Dieselfahrer bei Baumot am Entwicklungszentrum im Wittener Industriegebiet vor der Tür, die ihre Fahrzeuge nachrüsten lassen möchten. Bei geschätzten 3000 Euro Wertverlust durch die Dieselaffäre, würde sich eine Nachrüstung auf eigene Kosten sogar lohnen. Middelmann glaubt aber, dass Dieselfahrer massiv bei ihren Autohändlern auf Nachrüstung drängen sollten. „Das könnte einen Umschwung einleiten.“

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Selbst wenn die neue Bundesregierung kurzfristig reagieren würde, bräuchte Baumot noch ein halbes Jahr Vorlauf, um Kapazitäten für einen Umbau vieler Fahrzeuge aufzubauen. „Wir haben eine Fertigung in Königswinter, müssten uns dafür aber Partner suchen.“ Schließlich gibt es Dutzende verschiedene Dieseltypen. Dennoch sei eine Nachrüstung im großen Stil möglich, weil eben viele der Bauteile bereits bei den Herstellern in den Regalen lägen.