Essen. . Schuh-Unternehmer Heinrich Deichmann im Interview: Europas größter Schuhhändler will das Filialnetz weiter vergrößern – auch in Deutschland.

Heinrich Deichmann, der Chef von Europas größtem Schuhhändler, gibt nur selten Interviews. Als Familienunternehmer muss sich Deichmann nicht von Quartal zu Quartal äußern. Ruhig und beharrlich steuert der 55-Jährige den Essener Handelskonzern mit weltweit fast 4000 Filialen. Im Interview mit Ulf Meinke spricht Deichmann über die Konkurrenz durch Online-Händler wie Amazon und Zalando, neue Filialen und die Entwicklung der Schuhpreise.

Herr Deichmann, täuscht der Eindruck – oder bekommen Sie durch neue Schuhläden in Deutschlands Innenstädten und Einkaufscentern zunehmend Konkurrenz?

Deichmann: Tatsächlich tauchen zunehmend neue Anbieter im deutschen Schuhmarkt auf, während manche etablierte Händler verschwinden. Auch viele Textilunternehmen weiten ihr Schuhsortiment aus, und es gibt neue Mitspieler im Onlinehandel. Wir folgen der alten Erkenntnis: Konkurrenz belebt das Geschäft. Wir scheuen den Wettbewerb nicht, sondern sehen ihn als permanente Herausforderung, uns und unser Angebot weiter zu verbessern.

Oft ist von einer Krise der Innenstädte die Rede. Können Sie das nachvollziehen?

Deichmann: Der Einzelhandel befindet sich unter anderem durch den Onlinehandel im Umbruch. Das hat natürlich auch Auswirkungen auf den stationären Handel, der sich Frequenzrückgängen gegenübersieht, besonders in den Innenstädten. Es gibt klassische Händler, die den Trend verpasst haben und nun mit den Folgen zu kämpfen haben. Aus meiner Sicht haben nur stationäre Händler eine Zukunft, die sich zum einen auf ihre Stärken besinnen, aber zugleich neue Konzepte entwickeln und den Online-Handel mit dem klassischen Geschäft verknüpfen.

Zahlt es sich für Sie noch aus, neue Filialen in Deutschland zu eröffnen?

Deichmann: Es gibt noch vereinzelt weiße Flecken auf der Landkarte, und natürlich sind wir immer auf der Suche nach guten oder besseren Standorten. Unsere Filialen sind unser Herzstück. Wir werden in diesem Jahr in Deutschland 33 neue Geschäfte eröffnen und 128 modernisieren, um unseren Kunden ein attraktives Angebot zu machen. Das würden wir nicht machen, wenn wir nicht an die Zukunft des stationären Handels glauben würden. Der Schlüssel zum Erfolg ist die Kombination aus modernem Onlineshop und unserem Filialnetz. Ganz wichtig ist: Menschliches Miteinander kann kein reiner Onlinehändler bieten.

Wie laufen Ihre Läden in NRW?

Deichmann: Wir sind mit der Entwicklung hier in unserer Stammregion sehr zufrieden. NRW ist für uns nach wie vor das wichtigste Bundesland. Hier haben wir mit rund 250 Geschäften die meisten Filialen.

Wie entwickeln sich die Schuhpreise?

Deichmann: Es steigen unter anderem die Löhne bei den Lieferanten, die Rohstoff- und die Energiepreise. Wir wollen unseren Kunden aber weiterhin die gewohnt günstigen Preise bieten. Klar ist: Wir werden nicht an der Qualität sparen, um Preise zu halten, oder eine Verschlechterung der Sozialstandards in der Produktion akzeptieren. Dafür werden wir im Zweifel auch hinnehmen, dass wir etwas weniger verdienen. Gerade in den unteren Preislagen werden wir das gewohnt starke Angebot haben. Gleichzeitig fragen unseren Kunden verstärkt die höherwertigen Sportmarken nach.

Welchen Schuh haben Sie im vergangenen Jahr am häufigsten verkauft?

Deichmann: Das war ein weißer Canvas-Sneaker unserer Marke Victory.

Wird die Zahl der Deichmann-Beschäftigten in diesem Jahr weiter wachsen?

Deichmann: Auch in diesem Jahr werden wir in Deutschland in der Deichmann-Gruppe rund 440 neue Mitarbeiter und auch wieder über 1000 Auszubildende einstellen. Erstmals bieten wir übrigens auch die Ausbildung zum Kaufmann im E-Commerce an, weil wir hier unsere eigenen Experten aufbauen wollen.

Wie viel Kraft stecken Sie in die Expansion im Ausland?

Deichmann: Aktuell sind wir in 26 Ländern mit 3989 Filialen und 36 Onlineshops tätig. 2018 planen wir, in der Deichmann-Gruppe weltweit 208 Filialen neu zu eröffnen. Zusätzlich werden circa 270 Geschäfte modernisiert. 60 Prozent unseres Umsatzes erwirtschaften wir im Ausland. Die Entwicklung zu einem höheren Auslandsanteil am Umsatz baut unsere Abhängigkeit von einem einzelnen Markt weiter ab. Insofern ist Expansion sehr wichtig für uns.

Wollen Sie sich weitere Auslandsmärkte erschließen?

Deichmann: Wir wollen weiter wachsen, damit das Unternehmen gesund bleibt. Im vergangenen Jahr sind wir zum Beispiel erfolgreich in Frankreich und Belgien gestartet. Aber wir betreiben keine Expansion um jeden Preis. Als Familienunternehmen sind wir in der Lage, das Tempo und den Umfang unserer Expansion selbst zu steuern. Wir überlegen sehr genau, wann und wie wir in einen neuen Markt eintreten.

Wie wirkt sich die Internationalisierung auf die Essener Firmenzentrale aus?

Deichmann: Von unserer Firmenzentrale in Essen aus werden auch Dienstleistungen für die Gruppe erbracht, so dass sich unser Stammsitz mit der zunehmenden Internationalisierung ebenfalls weiterentwickelt. In unserer Hauptverwaltung sind inzwischen 840 Mitarbeiter tätig. Zurzeit bauen wir daher auch ein neues Bürogebäude, das Platz für 130 neue Arbeitsplätze schafft. Es soll im Sommer fertig sein. Weitere Ausbauschritte sind in Planung.

Können Sie sich vorstellen, dass Online-Shops irgendwann wichtiger für Ihr Unternehmen sind als die Filialen?

Deichmann: Der Online-Handel und die Verknüpfung mit dem Filialgeschäft werden in Zukunft noch wichtiger werden. Wir sehen unsere Zukunft als Omnichannel-Anbieter. Das heißt: Egal, über welchen Kanal der Kunde einkaufen will, er soll es möglichst bei uns tun, weil wir ihm das beste Angebot machen. Die einzelnen Vertriebskanäle sind keine Konkurrenten. Im Gegenteil: Sie befruchten sich gegenseitig. Unsere Marktforschung hat uns gezeigt, dass inzwischen rund 50 Prozent der Käufe vorab im Internet recherchiert werden. Die Verknüpfung der Kanäle bringt also mehr Umsatz in den Geschäften.