Düsseldorf/Datteln. . Der Energiekonzern Uniper muss wieder um das Kohlekraftwerk in Datteln bangen. Es gibt zahlreiche Risse in Bauteilen der Kesselanlage.
Es schien, als sei das Kohlekraftwerk in Datteln so gut wie startklar. Im vergangenen Oktober entfachte der Energiekonzern Uniper das erste Kohlefeuer. Der Probebetrieb lief. Aus dem 178 Meter hohen Kühlturm stiegen Schwaden von Wasserdampf auf, und Uniper verbreitete Optimismus. 2018 sollte das Kraftwerk endlich ans Netz gehen. „Das Kraftwerk ist praktisch fertig“, hieß es. Doch nun hat sich die Lage wieder geändert. Uniper muss wieder um das Kraftwerk bangen.
Schäden an der Kesselanlage lösen neue Verzögerungen bei dem umstrittenen Milliardenprojekt aus. Laut Uniper-Geschäftsbericht gibt es Risse in zahlreichen Bauteilen. „Wir überprüfen derzeit das Ausmaß der Schäden und die genaue Fehlerursache“, sagt Vorstandschef Klaus Schäfer bei der Bilanzpressekonferenz in der Düsseldorfer Konzernzentrale.
350.000 Schweißnähte
Schäfers Darstellung lässt erahnen, wie aufwändig allein schon die Prüfung ausfällt. Der Kessel habe 350.000 Schweißnähte, davon müssten 35.000 einzeln in Augenschein genommen werden. Dies dauere „länger, als wir ursprünglich angenommen hatten“, räumt der Uniper-Chef ein. Im Geschäftsbericht heißt es: „Nach Abschluss der Schadensuntersuchung wird ein Reparaturkonzept erarbeitet – dieses liegt zurzeit noch nicht vor.“
Die Verantwortung für die neuen Probleme sieht Uniper beim Kessel-Hersteller Mitsubishi Hitachi Power Systems. „Der Lieferant schuldet uns einen vollständig funktionierenden Kessel“, betont Uniper-Vorstand Eckhardt Rümmler. Die Schäden seien im Zusammenhang mit dem sogenannten „T-24-Stahl“ entstanden. Die Verwendung des Stahls, der die Anlage eigentlich effizienter machen sollte, hatte vor Jahren auch beim Steag-Kraftwerk Walsum umfangreiche Reparaturen nötig gemacht.
Projekt für mehr als 1,2 Milliarden Euro
Uniper-Chef Schäfer will sich nicht mehr auf einen Termin für den Betriebsbeginn in Datteln festlegen. Ein Start vor dem Winter dieses Jahres sei aber jetzt schon ausgeschlossen. Weitere Verzögerungen seien möglich, sagt Schäfer. Die Mitsubishi Hitachi Power Systems Europe GmbH in Duisburg lehnt eine Stellungnahme ab.
Ursprünglich sollte das Kraftwerk in Datteln schon im Jahr 2011 ans Netz gehen. Doch zwei Jahre zuvor hatte das Oberverwaltungsgericht Münster nach Bürgerprotesten und Planungsfehlern den Bebauungsplan für ungültig erklärt. Dem Uniper-Vorgänger Eon wurde unter anderem vorgeworfen, die Anlage zu dicht an Wohngebieten hochgezogen zu haben.
In den vergangenen Jahren musste Uniper einige Teile des Kraftwerks umbauen, um Auflagen zu erfüllen. Das Unternehmen hat nach eigenen Angaben mittlerweile rund 1,2 Milliarden Euro in Datteln investiert. Uniper rechnet aktuell außerdem mit weiteren Kosten in dreistelliger Millionenhöhe.
Deutsche Bahn soll eigentlich Strom erhalten
Das Kraftwerk Datteln hat riesige Ausmaße und soll etwa ein Viertel des bundesweiten Bahnstrom-Bedarfs decken sowie zusätzlich etwa eine Million Haushalte mit Strom versorgen. Große Teile der Stromproduktion aus Datteln sind für die Deutsche Bahn und den Energiekonzern RWE vorgesehen. Mit RWE streitet sich Uniper allerdings schon vor Gericht. RWE will den Liefervertrag kündigen und Preissenkungen durchsetzen.
Durch die Verzögerungen, die nun entstehen, entgehen Uniper Einnahmen durch einen Betrieb des Kraftwerks. Gut möglich, dass es Schadenersatzforderungen gibt.
In der Kraftwerksbranche heißt es allerdings auch, das Projekt in Datteln sei durchaus ein Sonderfall. „Ein Kessel, der jahrelang rumsteht und nicht heiß gemacht wird, das hat es noch nie gegeben“, sagt ein Insider. Dass die Risse im Kessel erst jetzt entdeckt worden sind, ist nach Einschätzung von Uniper-Vorstandsmitglied Rümmler nachvollziehbar. Denn das Problem entstehe erst mit Dampf und Wärme im Kessel.