Bochum. . Immer mehr Biertrinker steigen von Pils auf ausgefallene Sorten um. Während der Absatz sinkt, wachsen bei Craft-Bier Nachfrage und Vielfalt.

Ruhrgebiet, das ist für viele Kohle, Fußball – und Bier. Ob König, Stauder, Fiege oder Veltins, wenn im Revier Bier getrunken wird, dann in aller Regel Pils.

Wenn Max Zellmer über Bier spricht, dann nur selten von Pils. In seinem Bierfachgeschäft „Biermuda“ in der Bochumer Innenstadt hat Zellmer rund 500 Biermarken im Angebot, darunter Lager- und Bockbiere, ausgefallene Pale Ales und dunkle Stout- und Porter-Biere.

Bierfachgeschäft Biermuda führt 500 Biere

Ein „Fenster in die Bierwelt“, wie Zellmer sagt. Und diese Bierwelt wird wegen des Craftbier-Trends der vergangenen Jahre immer vielfältiger, ein Blick in die Regale des Biermuda genügt. Neben regionalen und überregionalen deutschen Bieren stehen hier vor allem Spezialitäten aus Belgien, den USA und von den britischen Inseln.

Die großen Namen und Marken der Branche, die so genannten Fernsehbiere, sucht man allerdings vergeblich. Seine Kunden, davon ist Zellmer überzeugt, haben genug vom Massenmarkt und wollen etwas Neues probieren.

Biermarkt im Wandel

Eine Beobachtung, die sich auch im deutschen Biermarkt niederschlägt. Während der Gesamtabsatz zuletzt zurückging, steigt die Nachfrage nach Bierspezialitäten und mit ihr die Vielfalt auf dem Biermarkt an. 6000 verschiedene Marken werden nach Einschätzung des Deutschen Brauer-Bunds in Deutschland angeboten.

Das seien 1000 mehr als noch vor zehn Jahren. „Jede Woche kommt ein neues Bier auf den Markt“, sagt Hauptgeschäftsführer Holger Eichele. Und auch die Zahl der Brauereien nimmt zu. 1408 zählte der Verband im Jahr 2016, rund 100 Betriebe mehr als noch 2006.

Besonders aromaintensive Biere

Im Biermuda stehen ausgefallene Sorten, die teilweise auch besonders verpackt sind.
Im Biermuda stehen ausgefallene Sorten, die teilweise auch besonders verpackt sind.

Craft-Biere, das steht umgangssprachlich für besonders aromaintensive, individuelle Biere und besondere Bierspezialitäten.

Die Geschmacksvarianten entstehen oftmals durch den Einsatz verschiedener Hopfensorten und Veränderungen im Brauprozess. In anderen Sorten werden auch ausgefallene Zutaten verwendet, wie etwa Sauerkraut oder Pumpernickel.

Bei Bierverkostungen werden Sorten probiert

Biermuda-Betreiber Max Zellmer kam in einem Kanada-Urlaub auf den besonderen Biergeschmack und eröffnete im Oktober 2015 sein Fachgeschäft. Seitdem berät er nicht nur experimentierfreudige Stammkunden, sondern auch Menschen auf der Suche nach der besonderen Geschenkidee. „Viele wissen gar nicht, was es alles gibt beim Bier“, erzählt Zellmer, „der Ruhrgebietstrinker ist recht festgefahren.“

Getränkemarktketten reagieren auf Trend

Die Neugierde seiner Kunden bedient Zellmer seit kurzem auch mit Bierverkostungen. Sechs Biere in unterschiedlichen Geschmacksrichtungen stehen dann auf der Karte, zwischendurch sollen kleine Snacks den Geschmack neutralisieren. Zellmer selbst hat jedes einzelne der 500 Biere in seinen Regalen bereits probiert.

Auch große Getränkeketten haben gemerkt, dass sich der Biermarkt wandelt. So hat etwa die Mülheimer Getränkemarktkette Trink & Spare ihr Biersortiment innerhalb von rund vier Jahren von 350 auf 800 Biersorten mehr als verdoppelt, so Marketing-Leiter Sebastian Palm.

Trend zu regionalen Marken

Damit einher gingen Veränderungen im Verkaufskonzept – statt auf Paletten werden Biere zunehmend einzeln im Regal angeboten. „Wir bemerken eine Verlagerung bei den Kunden, weg von großen Biermarken hin zu regionalen Spezialitäten“, sagt Palm, „die Bereitschaft ist da, etwas neues auszuprobieren.“ Zu diesem Zweck setzt das Unternehmen auf Bierschulungen für seine Mitarbeiter.

Auch die zu Edeka gehörende Getränkekette trinkgut hat die neuen Spezialitäten in ihr Sortiment aufgenommen. „Craft-Biere sind aus unserer Sicht gut für die Warengruppe Bier, da sie dieses Segment interessant machen“, sagt ein Edeka-Sprecher, fügt allerdings hinzu: „Das Volumen ist aber noch sehr gering.“

Trotz geringem Marktanteil ein Wachstumsmarkt

In der Tat kommen Craft-Biere laut Deutschem Brauer-Bund derzeit nur auf einen Marktanteil von etwa ein bis zwei Prozent. Im Gegensatz zu beliebteren Sorten wie Pils, Alt oder Export steigt der Absatz der Craft-Biere und anderer Bierspezialitäten aber seit mehreren Jahren an.

Ein Trend, von dem auch Max Zellmer und sein Biermuda profitieren. „Die Vorstellung, dass Bier immer gleich Pils bedeuten muss, ist auf dem absteigenden Ast“, sagt er. Im Mai organisiert er in Wanne-Eickel die Biermesse „Pro-Bier.com“. Erwartet werden rund 2500 Bierfreunde.