Essen. . Der Initiativkreis Ruhr – mit Bernd Tönjes und Thomas A. Lange an der Spitze – setzt auf Firmengründer. Ein Interview zu den Plänen.

Das einflussreiche Wirtschaftsbündnis Initiativkreis Ruhr mit Mitgliedsunternehmen wie Eon, RWE und Thyssenkrupp will das Gründungsgeschehen in der Region beleben. Über einen neu aufgelegten „Gründerfonds Ruhr“ stehen mittlerweile 33,5 Millionen Euro zur Verfügung. Das Geld, das Mitgliedsunternehmen des Initiativkreises investieren wollen, soll jungen Firmen einen Schub geben. Wie das gehen soll, sagen RAG-Chef Bernd Tönjes und National-Bank-Chef Thomas A. Lange, das Moderatoren-Duo an der Spitze des Wirtschaftsbündnisses, im Interview mit Ulf Meinke.

Der Initiativkreis Ruhr ist 1989 gegründet worden, um den Wandel in der von Kohle und Stahl geprägten Region voranzutreiben. 2018 nimmt das Ruhrgebiet Abschied vom Steinkohlenbergbau. Kommt dem Initiativkreis Ruhr in diesem Jahr eine besondere Bedeutung zu?

Bernd Tönjes: Die Aufgabe des Initiativkreises ist so aktuell wie eh und je. Das Ende der Steinkohlenförderung in Deutschland ist eine Zäsur. Aber der Strukturwandel ist nicht neu. In weiten Teilen des Ruhrgebiets ist der Bergbau schon jetzt Vergangenheit. Wir haben als Wirtschaft eine gesellschaftliche Verantwortung, und wir kümmern uns. Das findet Ausdruck im Initiativkreis Ruhr.

Was können Sie sich von den Gründervätern des Initiativkreises abgucken – vom damaligen Ruhrbischof Franz Hengsbach, Deutsche-Bank-Chef Alfred Herrhausen, Veba-Chef Rudolf von Bennigsen-Foerder und Gewerkschaftschef Adolf Schmidt?

Tönjes: Wie die Initiativkreis-Gründer blicken wir nicht zurück, sondern nach vorn. Die Situation und das Image des Ruhrgebiets verbessern wir, wenn wir gute Dinge tun, und dann auch darüber reden. Ich denke beispielsweise an das Projekt Innovation City, den vom Initiativkreis angestoßenen Stadtumbau in Bottrop, wo wir den Kohlendioxid-Ausstoß innerhalb von zehn Jahren bis 2020 halbieren werden. Mit unserer Initiative TalentMetropole Ruhr setzen wir Impulse beim Thema Bildung, und mit dem Klavier-Festival Ruhr bereichern wir schon seit Jahren das Kulturleben im Revier.

Gibt es eine zentrale Botschaft?

Thomas A. Lange: Der Initiativkreis ist ein Inkubator – ein Brutkasten für gute Ideen aus der Region für die Region. Ein Beispiel ist der Gründerfonds Ruhr. Er hat mittlerweile 33,5 Millionen Euro mit Aussicht auf mehr zusammen, die Mitgliedsunternehmen des Initiativkreises Ruhr bereit sind, in junge Unternehmen in der Region zu investieren. Das ist eine der zentralen Botschaften, zumal das Ruhrgebiet vor dem Hintergrund seiner Geschichte für eine industrielle Gründerkultur prädestiniert ist.

Kann das Ruhrgebiet mit Metropolregionen wie Berlin, Hamburg oder München in Sachen Firmengründungen mithalten?

Lange: Jüngste Erhebungen zeigen, dass wir aufholen. Beim Deutschen Startup Monitor, der die Gründungsdynamik abbildet, liegt die Region Rhein-Ruhr bundesweit hinter Berlin auf Rang zwei – schon weit vor Hamburg, München oder Stuttgart. Sowohl bei den vielfältigen Gründungsveranstaltungen des Initiativkreises als auch durch eine Vielzahl persönlich geführter Gespräche spüren Bernd und ich eine Aufbruchstimmung, die von einem neuen Gründergeist getragen ist. Das Areal des Welterbes Zollverein ist ein gutes Beispiel dafür.

Der Berliner Unternehmer Reinhard Müller plant auf dem Kokerei-Teil des Welterbe-Areals ein Gründerzentrum und rechnet mit bis zu 1000 Arbeitsplätzen in direkter Nachbarschaft zur neuen RAG-Zentrale. Ist das eine Frischzellenkur für Zollverein?

Tönjes: Starke Investoren sind genau das, was wir brauchen. Es tut sich etwas auf Zollverein. Auch die Ansiedlung der Folkwang-Hochschule mit 600 Studenten bringt einen Schub. Ein Teil der Studenten wird hier wohnen wollen. Das belebt auch den Stadtteil Katernberg.

Auch der Initiativkreis Ruhr will seine Gründungsaktivitäten auf Zollverein bündeln. Was haben Sie vor?

Tönjes: Mit der Gründerallianz Ruhr, die vom Initiativkreis Ruhr und dem Projekt „Glückauf Zukunft!“ getragen wird, schaffen wir eine zentrale Anlaufstelle der Wirtschaft für Gründer aus dem ganzen Ruhrgebiet. Eine Schlüsselrolle übernimmt dabei der Berliner Digitalisierungsexperte Christian Lüdtke, der als Gründerkoordinator die Start-up-Szene im Revier beleben wird.

NRW-Ministerpräsident Armin Laschet plant für dieses Jahr eine Ruhr-Konferenz mit Beteiligung von Bundesregierung und Europäischer Kommission. Vorbild ist die Ruhr-Konferenz aus dem Jahr 1988, die Helmut Kohl zu Zeiten der Stahlkrise einberufen hatte. Was erhoffen Sie sich vom aktuellen Vorhaben der Landesregierung?

Tönjes: Die Ruhr-Konferenz ist eine großartige Idee, die wir mit vollem Einsatz unterstützen wollen. Wir freuen uns auch sehr, dass Ministerpräsident Laschet zugesagt hat, zur Frühjahrsvollversammlung des Initiativkreises zu kommen, um über seine Pläne zu berichten. Aus unserer Sicht stehen Themen wie eine gute Infrastruktur, die Entwicklung von Industrieflächen, lebenswerte Stadtquartiere sowie Impulse für Bildung, Innovationen und Gründungen im Vordergrund.

Bei der Konferenz könnte es wieder darum gehen, ob Geld aus Berlin oder Brüssel ins Ruhrgebiet fließt. Besteht die Gefahr, dass sich damit das Image einer hilfsbedürftigen Region verfestigt?

Tönjes: Uns ist wichtig, dass es keine reine Geber-Konferenz wird, sondern dass klar wird, was geleistet worden ist im Ruhrgebiet. Es wäre falsch, ein Jammer-Image zu befeuern. Wir sind da sehr selbstbewusst. Uns geht es um Verteilungsgerechtigkeit. Fördermittel dürfen nicht allein nach Himmelsrichtung vergeben werden. Sicher, wir haben Probleme wie die Arbeitslosigkeit, die höher ist als im Bundesschnitt. Aber das Ruhrgebiet ist viel attraktiver und leistungsstärker als sein Ruf.

Lange: Eine „Ruhr-Expo“ wäre eine Überlegung wert, eine Leistungsschau, die entweder abbildet, welche Stärken das Revier hat, oder aber die deutlich macht, was seit Beginn der ersten Ruhrkonferenz 1988 alles erreicht worden ist.

Dem Ruhrgebiet haftet das Image an, ein Hort der alten Industrie zu sein. Wird es mit dem Abschied vom Bergbau vielleicht sogar leichter, dieses Bild zu korrigieren?

Lange: Das Ruhrgebiet sollte mit Stolz auf seine industrielle Prägung blicken. Sowohl die ökonomische Bedeutung Deutschlands als auch der Wohlstand unserer Nation wären ohne den Einsatz der Menschen im Ruhrgebiet, insbesondere bei Kohle und Stahl, so nicht möglich gewesen. Nun gibt es neue Herausforderungen. Und ich sagen Ihnen: Auch die werden wir meistern. Wie Sie vielleicht wissen, bin ich in Norddeutschland aufgewachsen. Trotz grundlegend veränderter Warenströme kämen die Norddeutschen nicht im Ansatz auf die Idee, den Stolz auf ihre Häfen aufzugeben. Daran sollten wir uns ein Beispiel nehmen, denn Zukunft braucht Herkunft.

Bei den Vollversammlungen des Initiativkreises Ruhr versammeln sich – mit Verlaub – eher ältere Herren. Dabei propagieren Sie doch eine Verjüngung der Region. Wie passt das zusammen?

Lange: Ihr Eindruck täuscht: Der Initiativkreis ist kein Seniorenclub. Er ist ein Verein erfolgreicher Unternehmer, die sich trotz ihrer weit überdurchschnittlichen Arbeitsbelastung couragiert für das Ruhrgebiet und die Verbesserung seiner Lebensbedingungen einsetzen. Bei aller Bescheidenheit erlaube ich mir den Hinweis, dass der Initiativkreis Ruhr das größte branchenübergreifende regionale Wirtschaftsbündnis in Europa ist. Die Komplexität der Anforderungen an die Führung der Unternehmen bringt es dabei mit sich, dass es sich hierbei um keine Berufsanfänger handelt. Dennoch steht das Leitmotiv unserer Moderatorenschaft unter dem Motto: „Gemeinsam für ein junges Ruhrgebiet“. Wir wollen damit unterstreichen, dass unser Engagement auch den kommenden Generationen gilt. Daher haben wir den „Jungen Initiativkreis Ruhr“ mit Nachwuchsführungskräften aus unseren Mitgliedsunternehmen gegründet. Ein erstes Ergebnis ist die außerordentlich erfolgreiche Aktion „#läuftimruhrgebiet“, die allein auf Facebook mehr als 12.000 Abonnenten hat.