Duisburg/Bochum. . Die Werke von Thyssen-Krupp in Duisburg-Hüttenheim und Bochum haben Zeit gewonnen, aber es bleiben Unsicherheiten.
Die Kampfjacke von Werner von Häfen hängt griffbereit neben dem Besprechungstisch im Büro der Arbeitnehmervertreter von Thyssen-Krupp in Duisburg-Hüttenheim. Es ist ein Jahre altes Kleidungsstück, das der Betriebsratschef am Standort immer dann anzieht, wenn es ernst wird. „Wir haben ja stürmische Zeiten“, sagt Werner von Häfen und deutet dabei auf eine Lautsprecherbox für den Sprechfunk. „Wir können gleich loslegen.“
Vor dem Betriebsratsgebäude weht die rote Fahne der IG Metall. Auch für erfahrene Gewerkschafter im Traditionskonzern Thyssen-Krupp sind es besondere Tage, die nun bevorstehen. Es laufen die Vorbereitungen für eine Abstimmung der Belegschaft über einen Tarifvertrag, der als Voraussetzung für die geplante Fusion der deutschen Stahlsparte mit dem indischen Hersteller Tata in Europa gilt. Mehr als 20 500 Beschäftigte sollen ihre Stimme abgeben und damit auch über ihre eigene Zukunft entscheiden.
Job-Sicherung bis zum Jahr 2026
Der Vertrag sieht unter anderem einen Verzicht auf betriebsbedingte Kündigungen bis zum 30. September 2026 vor. Bis zu diesem Stichtag gilt grundsätzlich auch eine Standortsicherung. Die Schließung einzelner Anlagen ist aber trotzdem möglich. So sind die Zusagen für Duisburg-Hüttenheim, Bochum und Eichen im Siegerland eingeschränkt und gelten lediglich bis Ende 2021. Bis Ende 2020, so die Vereinbarung von Thyssen-Krupp und IG Metall, sollen „Wirtschaftlichkeitsanalysen“ vorliegen.
Dabei geht es unter anderem um die Warmbreitband-Produktion in Bochum mit fast 600 Beschäftigten und die Grobblech-Herstellung in Hüttenheim mit 900 Mitarbeitern. Zur Einordnung: Insgesamt arbeiten im Bochumer Thyssen-Krupp-Werk an der A40 rund 2100 Menschen, in Hüttenheim sind es 1300 Beschäftigte.
„Wir haben viel Schlimmeres befürchtet“
Trotz der Unsicherheiten bewertet Werner von Häfen den geplanten Tarifvertrag positiv. „Wir haben viel Schlimmeres befürchtet“, berichtet er. „Letztes Jahr haben wir schon gedacht, die machen uns die Bude zu. Jetzt haben wir vier Jahre Zeit, uns wieder vernünftig aufzustellen.“ Er glaube daran, dass der Standort im Duisburger Süden auch über 2022 hinaus bestehen könne. „Wir sind jetzt auf Bewährung“, sagt der Betriebsrat. Mit einer Entscheidung dazu, wie es weitergeht in Hüttenheim, rechnet Werner von Häfen im Herbst 2020.
Der Bochumer Betriebsratschef Harald Pfennig bezeichnet das Angebot der Konzernführung zur Job- und Standortsicherung als „annehmbar“, betont aber auch: „Jetzt haben die Kollegen das Wort.“ Es gebe im Werk nach wie vor „jede Menge Skepsis“, aber auch „viele positive Stimmen“. Ab dem Samstag können die IG Metall-Mitglieder von Thyssen-Krupp Steel eine Woche lang online abstimmen. Vom 22. Januar bis zum 2. Februar sollen an den 13 Standorten Wahlurnen aufgestellt werden.
Spannung vor Betriebsratswahlen
Die Vereinbarung gilt, wenn mehr als 50 Prozent der abgegebenen Stimmen und auch alle 13 Standorte diese billigen. Das Wahlergebnis will die IG Metall am 5. Februar gegen 15 Uhr veröffentlichen. Die Beschäftigten stimmen über den Tarifvertrag zur Stahlfusion in einer für die IG Metall wichtigen Phase ab. Denn im Frühjahr stehen die Wahlen zum Betriebsrat an.
„Die Grundstimmung ist positiv“, sagt der Stahlexperte der Gewerkschaft, Heiko Reese, mit Blick auf die Beschäftigten in den Werken von Thyssen-Krupp. Sollte die Belegschaft eines Standorts dennoch mit Nein votieren, stünden wohl erneut Verhandlungen der IG Metall mit der Konzernführung um Vorstandschef Heinrich Hiesinger an. Bereits am Freitag kommender Woche stellt sich Hiesinger den Fragen der Aktionäre bei der diesjährigen Hauptversammlung in Bochum.
In Duisburg-Hüttenheim erwartet Werner von Häfen Unterstützung der Beschäftigten für den Kompromiss mit der Konzernführung. „Ich gehe davon aus, dass es Zustimmung gibt“, sagt der Betriebsratschef. Und so dürfte seine Kampfjacke, die neben seinem Besprechungstisch hängt, aller Voraussicht nach erst einmal am Haken bleiben.