Essen/Düsseldorf. . Thyssen-Krupp schließt nicht aus, einen Teil des Stahl-Joint-Ventures mit Tata an die Börse zu bringen.
Als Thyssen-Krupp-Personalvorstand Oliver Burkhard am Tag eins nach der Einigung mit den Arbeitnehmervertretern im Essener Konzernquartier Journalisten Rede und Antwort steht, geht es nicht nur um Job- und Standortgarantien, sondern insbesondere um ein brisantes Stichwort im Zusammenhang mit der geplanten Stahlfusion: Börsengang. Denn ein solcher Schritt ist ausdrücklich als Möglichkeit erwähnt in dem Tarifvertrag, den die IG Metall nun den Beschäftigten zur Abstimmung vorlegt.
Es schwingt die Frage mit, wie lange und in welcher Größenordnung Thyssen-Krupp am geplanten Gemeinschaftskonzern mit dem indischen Hersteller Tata beteiligt sein wird. Thyssen-Krupp hat zugesagt, für mindestens sechs Jahre dabei zu bleiben. Aber der Anteil des Essener Konzerns könnte sich im Zuge eines Börsengangs deutlich verringern – und auf 25,05 Prozent fallen. Auch das ist Teil des Verhandlungsergebnisses mit der IG Metall. Zunächst wollen Thyssen-Krupp und Tata je 50 Prozent der Anteile halten. Entstehen soll der nach Arcelor-Mittal zweitgrößte Stahlkonzern in Europa – mit 48 000 Mitarbeitern.
Jetzt stimmt die Belegschaft ab
In einigen Wochen – am 5. Februar – will die IG Metall bekannt geben, ob die Mehrheit der Stahl-Beschäftigten von Thyssen-Krupp den Tarifvertrag mitträgt. Ab Mitte Januar können rund 20 500 Gewerkschaftsmitglieder abstimmen – zunächst online, danach mit Wahlzetteln. Die Hürde, die sich die IG Metall auferlegt hat, ist hoch. Denn sie braucht die Zustimmung aller Belegschaften an den 13 Stahl-Standorten von Thyssen-Krupp.
Detlef Wetzel, der als Vize-Vorsitzender des Aufsichtsrats von Thyssen-Krupp Steel bei den Verhandlungen mit am Tisch saß, wirbt bei seinen Kollegen in den Betrieben ausdrücklich dafür, den Vereinbarungen zuzustimmen. Dabei verweist er insbesondere auf die Job- und Standortgarantien. Der Tarifvertrag sieht unter anderem einen Verzicht auf betriebsbedingte Kündigungen bis zum 30. September 2026 vor. Einen vergleichbaren Schutz gibt es für die Standorte, die sich fast alle in NRW befinden. „Neun Jahre Beschäftigungs- und Standortgarantie sind ein Pfund. Das gibt es in keinem anderen Unternehmen“, sagt Wetzel. „Allein deshalb lohnt es sich, den Vertrag anzunehmen.“
Sorgen in Bochum und Duisburg-Hüttenheim
Besorgte Fragen von Beschäftigten dürfte es insbesondere in Bochum, Duisburg-Hüttenheim und Eichen im Siegerland geben. Denn an diesen Standorten sind die Zusagen für den Bestand einzelner Anlagen eingeschränkt – sie gelten lediglich bis Ende des Jahres 2021. Bis Ende 2020, so die Vereinbarung von Thyssen-Krupp und IG Metall, sollen Wirtschaftlichkeitsanalysen vorliegen.
Im Fokus stehen unter anderem die Warmbreitband-Produktion in Bochum und die Grobblech-Herstellung in Hüttenheim.
Der Duisburger Betriebsrat Werner von Häfen wirbt für den Kompromiss mit dem Management und geht von Zustimmung innerhalb der Belegschaft aus. „Wir haben vier Jahre bekommen“, sagt er. Auch der langfristige Verzicht auf Kündigungen sei ein wichtiges Argument, das für den Tarifvertrag spreche. Der Bochumer Betriebsratschef Harald Pfennig nennt das Ergebnis „annehmbar“ – „für Bochum auf jeden Fall“.
400 Millionen Euro Investitionen pro Jahr
Der frühere IG Metall-Chef Wetzel lobt auch die zugesagten Investitionen in Höhe von mindestens 400 Millionen Euro jährlich. Die Summe liege deutlich über dem Schnitt in der Vergangenheit. Wetzel zeigt sich überzeugt, dass die IG Metall in den Verhandlungen mit dem Konzern „viel erreicht“ habe.
Dass die Zustimmung der Mitarbeiter zum Tarifvertrag nicht gleichzeitig grünes Licht für die Stahlfusion bedeute, betont Wetzel ebenfalls. „Die Entscheidung wird im Frühjahr im Aufsichtsrat fallen“, erläutert er. Derzeit wird noch in Gutachten geprüft, ob die geplante Fusion wirtschaftlich tragfähig ist.
Aktionärsvertreter kritisieren die weitreichenden Zugeständnisse an die Gewerkschaft. Damit werde der bestehende Status zementiert, sagt Thomas Hechtfischer von der Deutschen Schutzgemeinschaft für Wertpapierbesitz (DSW). Unterm Strich sei es aber positiv, dass es weitergehe in Sachen Tata. Derzeit schauen sich die Unternehmen in die Bücher. Noch ungeklärt ist die Frage, wie die Chefposten des neuen Konzerns besetzt werden sollen. Nach Angaben von Thyssen-Krupp soll der fusionierte Stahlkonzern Ende 2018 starten.