Düsseldorf. . Ein Dutzend Vorsitzende hatte der Deutsche Gewerkschaftsbund in NRW seit 1949. Stets waren es Männer, oft kamen sie aus der mächtigen IG Metall. Heute aber dürften rund 100 Delegierte erstmals eine Frau an die Spitze dieses großen DGB-Bezirkes wählen: Anja Weber, ein „richtiges Dortmunder Kind“, ist gemeinsame Kandidatin aller acht Mitgliedsgewerkschaften. Sie stammt aus der kleineren Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG).
Ein Dutzend Vorsitzende hatte der Deutsche Gewerkschaftsbund in NRW seit 1949. Stets waren es Männer, oft kamen sie aus der mächtigen IG Metall. Heute aber dürften rund 100 Delegierte erstmals eine Frau an die Spitze dieses großen DGB-Bezirkes wählen: Anja Weber, ein „richtiges Dortmunder Kind“, ist gemeinsame Kandidatin aller acht Mitgliedsgewerkschaften. Sie stammt aus der kleineren Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG).
Gewerkschaften sind in NRW schon lange keine Männerrunden mehr. Der Frauenanteil liegt inzwischen bei 30 Prozent und steigt langsam, aber stetig. „Als ich bei der NGG vor 30 Jahren angefangen habe, saß ich fast immer unter Männern am Tisch. Das hat sich stark verändert“, sagt Anja Weber. Wer sich unter einem Gewerkschaftsboss einen rauen und kantigen Arbeitnehmeranführer vorstellt, dürfte etwas irritiert sein, wenn er Anja Weber trifft. Die 56-Jährige wirkt freundlich, offen, ausgleichend, und dazu passt, dass sie zuletzt NRW-Landesschlichterin im Arbeitsministerium war. Guntram Schneider, ein Gewerkschafts-Urgestein, hatte die NGG-Frau mit SPD-Parteibuch ins Ministerium geholt.
Freundlich und ausgleichend ist also ihr Ton, aber in der Sache lässt Weber jene Härte durchblicken, die von einer DGB-Chefin erwartet wird. Denn es läuft in NRW gerade nicht gut aus Arbeitnehmersicht, findet sie: „Ich höre an vielen Orten, dass Menschen um ihre Jobs bangen. Nicht nur bei Thyssen-Krupp und bei Siemens, sondern auch bei Seppelfricke und bei Friesland-Campina in Gütersloh. All diese Unternehmen machen Gewinne. Wir müssen diese Unternehmen in die Verantwortung nehmen. Sie machen sich zukunftsfest, ohne an die Zukunft ihrer Beschäftigten zu denken“, so die Politologin.
Der neuen Landesregierung wirft Weber „Verantwortungslosigkeit“ beim Ladenschluss vor. Ein solches Thema „mit Verfassungsrang“, das Kirchen, Einzelhändler, Gewerkschaften, praktisch jeden Bürger betreffe, dürfe nicht über alle Köpfe hinweg per Gesetz geregelt werden. „Maß und Mitte“ – das Regierungsmotto des Ministerpräsidenten – seien hier noch nicht gefunden. Gegen die Aufweichung des Arbeitszeitgesetzes will sie besonders streiten, weil aus ihrer Sicht das Gegenteil zeitgemäß ist: ein besser kontrollierter Arbeitsschutz. „Viele sind dem heutigen Druck ,Arbeiten ohne Ende’ extrem ausgeliefert. Sie arbeiten sich krank“, kritisiert Weber, und in dieser Einschätzung ist sie sich einig mit dem bisherigen DGB-Landeschef Andreas Meyer-Lauber (65), der nach sieben Jahren aus Altersgründen aufhört.
Der frisch mit dem Landesverdienstorden dekorierte Lehrer verlässt die DGB-Bühne mit einem guten Grundgefühl: „Wir Gewerkschaften hatten 15 Jahre lang heftigen Gegenwind. Wir waren aus der Sicht der Westerwelles und anderer Wirtschaftsliberaler das Problem. Das antigewerkschaftliche Klima hat sich seit 2010 wieder gewendet, das ist auch ein Verdienst von Angela Merkel“, so der Westfale.
Als Meyer-Lauber, der aus der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft stammt, Chef des DGB-Landesbezirkes wurde, war er für rund 1,54 Millionen Mitglieder verantwortlich, zuletzt waren es noch etwa 1,45 Millionen. Die Zahl der jungen Gewerkschafter bis 27 Jahre stieg in dieser Zeit leicht, und gerade in dieser Altersgruppe, unter Studenten und Schülern, will der DGB mehr für sich werben. „Man kann in NRW immer noch Betriebswirtschaft studieren, ohne je die Worte Mitbestimmung und Betriebsrat zu hören“, wettert Meyer-Lauber.
Kritik an der Landesregierung
Mit der neuen Landesregierung geht Meyer-Lauber zum Abschied hart ins Gericht. Die habe „noch wenig Sinn fürs Soziale“, beim sozialen Arbeitsmarkt für Langzeitarbeitslose gebe es bisher nur kleine Pilotversuche. Das Umsteuern beim Sozialticket zeige aber, dass Schwarz-Gelb druckempfindlich sei. „Das ermuntert uns.“ Skepsis blickt durch, als Meyer-Lauber von der geplanten „Ruhrkonferenz“ spricht. Die drohe eine „Beruhigungspille“ zu werden. „Und Valium ist das Letzte, was das Ruhrgebiet braucht.“