Essen. . Der Finanzinvestor Cevian fordert eine Zerschlagung von Thyssen-Krupp. Vorstand und Aufsichtsrat halten dagegen.
Die Lage muss ernst sein. Denn es kommt recht selten vor, dass sich Aufsichtsratschef Ulrich Lehner ausführlich in der Öffentlichkeit zu aktuellen Themen von Thyssen-Krupp äußert. Diese Aufgabe überlässt er üblicherweise Vorstandschef Heinrich Hiesinger. Doch nun hat Lehner eine Ausnahme gemacht. Nach heftigen Attacken des Großaktionärs Cevian sah er sich wohl dazu veranlasst, Hiesinger Rückendeckung zu geben – und zwar mit einer klaren Botschaft: Eine Zerschlagung der Essener Traditionsfirma ist mit dieser Konzernführung nicht zu machen.
Es ist ein Machtkampf auf offener Bühne. Auf der einen Seite stehen Hiesinger und Lehner, die sich der Unterstützung des Großaktionärs Krupp-Stiftung sicher sein können. Auf der anderen Seite bringt sich der Finanzinvestor Cevian in Stellung. Der Großaktionär mit schwedischen Wurzeln, der bei Thyssen-Krupp immerhin mehr als 15 Prozent der Anteile hält, hatte schon kurz nach der Jahresbilanz einen Angriff auf Hiesinger gestartet und öffentlich die Strategie des Vorstandschefs infrage gestellt. Seit vier Jahren gebe es keine „sichtbaren Fortschritte“, kritisierte Cevian-Gründer Lars Förberg, sprach von „besorgniserregenden Ergebnissen“ und bemängelte, Hiesinger habe seine selbst gesteckten Margenziele nicht erreicht.
„Das schadet dem Unternehmen“
Das Management um Hiesinger und Lehner verstand die Botschaft augenscheinlich als Generalangriff. Der Aufsichtsratschef holte nun zum Gegenschlag aus. „Wenn sich ein Aktionär in der Art und Weise öffentlich positioniert, dann schadet das dem Unternehmen“, sagte Lehner dem Handelsblatt. Die Äußerungen von Förberg seien „unnötig“ gewesen. Tatsächlich stellt Cevian mit Jens Tischendorf einen Vertreter im Aufsichtsrat, der regelmäßig hinter verschlossenen Türen die Strategie des Konzerns mit dem Management bespricht.
Gedankenspiele zur Aufspaltung von Thyssen-Krupp sind nicht neu. Überraschend ist, mit welcher Heftigkeit die Konflikte nun in der Öffentlichkeit ausgetragen werden. Wenn Szenarien für eine Zerschlagung entworfen werden, spielt häufig die Aufzugsparte von Thyssen-Krupp eine Schlüsselrolle. Sie gilt als das Objekt der Begierde von Investoren. Mit 52 000 Mitarbeitern ist die Aufzugsparte schon jetzt das größte Geschäft des Essener Industriekonzerns. Etwa jeder dritte Beschäftigte von Thyssen-Krupp arbeitet in diesem Bereich.
Aufzugsparte mehr wert als Konzern als Ganzes
Was die Fantasien von Investmentbankern und Investoren beflügelt: Für sich alleine ist die Aufzugsparte mehr wert als Thyssen-Krupp als Ganzes – unter anderem aufgrund der hohen Verschuldung des Konzerns. „In den USA steht Thyssen-Krupp nicht für Stahl, sondern vor allem für Aufzüge“, sagt Spartenchef Andreas Schierenbeck selbstbewusst.
Trotz des Drucks von Cevian: Aufsichtsratschef Ulrich Lehner lehnt eine Aufspaltung von Thyssen-Krupp strikt ab. „Eine Zerschlagung des Konzerns ist überhaupt kein Thema“, sagt er und betont zugleich seine Nähe zur Krupp-Stiftung, die nach wie vor größter Einzelaktionär ist. Es war noch der legendäre Stiftungschef Berthold Beitz, der ihn geholt hatte. Er treffe sich nun regelmäßig mit der Stiftungsvorsitzenden Ursula Gather, erzählt Lehner. „Wenn die Stiftung mit unserer Arbeit nicht zufrieden wäre, dann würde ich nicht hier sitzen und auch Herr Hiesinger nicht.“ Glücklicherweise habe Thyssen-Krupp viele langfristig orientierte Aktionäre und mit der Stiftung auch einen starken Ankeraktionär, sagte Lehner. Klar ist: Auch Hiesinger, dessen aktueller Vertrag bis September 2020 läuft, ist nicht angetreten, um Thyssen-Krupp zu zerlegen.
Investoren werden ungeduldig
Generell macht nicht nur Cevian Druck, auch andere Investoren äußern eine gewisse Ungeduld. „Es ist besser, jetzt zu handeln, als die Probleme zu verschleppen“, sagt beispielsweise Ingo Speich von der Fondsgesellschaft Union Investment. Der Konzern müsse sich schneller als bisher verändern, um sich für konjunkturell schwierige Situationen zu wappnen. Thyssen-Krupp sei „ein Koloss auf tönernen Füßen“.
Viel dürfte jetzt davon abhängen, ob Hiesinger seine Pläne zur Ausgliederung des traditionsreichen Stahlgeschäfts in die Tat umsetzen kann. Die geplante Fusion mit dem indischen Hersteller Tata hat nach Darstellung von Hiesinger absolute Priorität. Unsicher ist aber, ob das Bündnis die Zustimmung der Beschäftigten bekommt. Die IG Metall verlangt verbindliche Zusagen des Managements zur Standort- und Arbeitsplatzsicherung und fordert „zehn Jahre Sicherheit“ für die Stahlarbeiter.
Kurz vor Weihnachten könnte sich die Lage erneut zuspitzen. Mit einem Ultimatum will die IG Metall den Vorstand bis zum 22. Dezember dazu bringen, Klarheit für die Beschäftigten zu schaffen. Am Ende sollen die Mitarbeiter über einen möglichen Kompromiss mit dem Management abstimmen – ein Unterfangen mit ungewissem Ausgang.