Jurva. Juha Järvinen setzt den Hobel an. Der hölzerne Drachenkopf braucht mehr Schliff. Er schmückt eine Trommel aus Rentierhaut, die Juha verkaufen will. Das Instrument ist beliebt unter Freunden volkstümlicher Musik. Auf dem Hof zwischen der Werkstatt und dem alten Schulgebäude aus rotem Holz, das Juha vor Jahren gekauft hat, liegt Schnee. Mehr Menschen sollen herziehen, in diese verlassene Gegend drei Zugstunden nordwestlich der Hauptstadt Helsinki. Juha will investieren, den großen Raum neben seiner Werkstatt für Künstlerprojekte ausbauen. Raus aus der Sackgasse, in der er seit einigen Jahren steckt. „Das Grundeinkommen“, sagt der 39-jährige Finne, „bedeutet das Ende meiner Sklaverei“.
Juha Järvinen setzt den Hobel an. Der hölzerne Drachenkopf braucht mehr Schliff. Er schmückt eine Trommel aus Rentierhaut, die Juha verkaufen will. Das Instrument ist beliebt unter Freunden volkstümlicher Musik. Auf dem Hof zwischen der Werkstatt und dem alten Schulgebäude aus rotem Holz, das Juha vor Jahren gekauft hat, liegt Schnee. Mehr Menschen sollen herziehen, in diese verlassene Gegend drei Zugstunden nordwestlich der Hauptstadt Helsinki. Juha will investieren, den großen Raum neben seiner Werkstatt für Künstlerprojekte ausbauen. Raus aus der Sackgasse, in der er seit einigen Jahren steckt. „Das Grundeinkommen“, sagt der 39-jährige Finne, „bedeutet das Ende meiner Sklaverei“.
Seit Anfang des Jahres erhält Juha 560 Euro pro Monat von der Sozialversicherung. Geschenkt, steuerfrei, ohne Gegenleistung. Er ist Teil eines Experiments, das die finnische Regierung 2017 gestartet hat. Sie will das bedingungslose Grundeinkommen testen, 2000 Teilnehmer hat die Sozialversicherung unter rund 200 000 Arbeitslosen ausgelost. Von Januar 2017 bis Dezember 2018 erhalten sie nun die monatliche Zahlung. Der Versuch soll Antworten auf eine entscheidende Frage bringen: Macht Geld, das man einfach so bekommt, die Menschen fauler? Oder spornt es zur Arbeit an?
Neustart nach dem Bankrott
Vor einigen Jahren noch hätte Juha auf das Grundeinkommen auch verzichtet. In seiner Werkstatt hat er früher Fenster und Türrahmen getischlert. Der Verkauf lief gut. Doch er wurde krank, depressiv. Es folgten Bankrott und Steuerschulden. Das Altenpflegerinnengehalt seiner Frau, Arbeitslosen- und Kindergeld summieren sich auf 3000 Euro – in einem reichen Staat wie Finnland nicht viel für zwei Erwachsene und sechs Kinder, wenn man auch noch einen Kredit abbezahlen muss. Trotz der finanziellen Lage musste Juha, als es ihm gesundheitlich wieder besser ging, Anfragen nach kleinen Tischlerarbeiten absagen. Denn er weiß: „Teilst du dem Amt mit, was du selbst verdienst, kommt das Arbeitslosengeld später.“ Bis die Berechnung fertig ist, können Wochen vergehen. „Da lasse ich das zusätzliche Arbeiten lieber sein.“
Beim finnischen Experiment ist es anders. Wenn die Testpersonen weitermachen wie bisher, also wenig oder gar nicht selbst arbeiten, ändert sich für sie nichts. Sie erhalten dann weiter ihr bisheriges Arbeitslosengeld von beispielsweise 700 Euro pro Kopf plus Wohnungskosten.
Erwirtschaften die Teilnehmer jedoch eigenes, zusätzliches Einkommen mit einem neuen Arbeitsplatz, einer Teilzeittätigkeit, irgendwelchen Honoraren oder Einnahmen aus einer Firmengründung, kommen die 560 Euro oben drauf, ohne Abzüge. Im bisherigen System ist das anders. Heute können finnische Erwerbslose nur maximal 300 Euro monatlich ohne Anrechnung zum Arbeitslosengeld hinzuverdienen. Erzielen sie mehr, wird ihnen ein erheblicher Teil der staatlichen Unterstützung gekürzt.
Ähnlich ist in Deutschland das Arbeitslosengeld II (Hartz IV) geregelt. Die Folge: Von eigener Arbeit bleibt oft wenig übrig. Ein motivierender, nennenswerter finanzieller Vorteil stellt sich erst ein, wenn man beispielsweise 1000 Euro monatlich selbst verdient. Der Sprung ist aber für viele Arbeitslose groß.
Mit dem Test will die finnische Regierung auch hierauf eine Antwort liefern: Suchen sich Erwerbslose selbst neue Tätigkeiten, wenn sie die Zusatzeinnahmen behalten dürfen? Zur Halbzeit ziehen Beobachter eine positive Zwischenbilanz. Finnische Medien berichten von vielen Teilnehmern, die eine Arbeit aufgenommen haben oder bereit sind, eine Geschäftsidee zu verwirklichen.
In Finnland herrscht ein breiter Konsens, dass das Experiment eine gute Idee ist. Spätestens ab 2020 werde man weitere Versuche durchführen, sagt Martti Talja, Sozialexperte des Zentrums, der größten Regierungspartei.
Juha hat mittlerweile seine neue Firma registrieren lassen. Überschlägt er seine Einnahmen im Vergleich zum Vorjahr, kommt er auf ein Plus von etwa 1000 Euro im Monat. „Ich könnte jeden Tag zwei Trommeln bauen“, sagt er. Sein Ziel: In zwei Jahren will er sich wieder komplett selbst finanzieren.