Oberhausen. „Kaffeefahrt ins Krematorium.“ Schmunzelnd streicht Karl Schumacher über den Zeitungsartikel von 2004, den er in seinem Notizbuch aufbewahrt. Alle hätten damals über ihn geschrieben. Der Bestatter aus Oberhausen lehnt sich im Bürostuhl zurück. „Sogar ein Reporter der ‚New York Times‘ ist mitgefahren.“ In einem Bus, 12,50 Euro pro Person, vom Ruhrgebiet zum Krematorium im niederländischen Venlo. Eine Informationsfahrt für künftige Kunden, um sich über billige Einäscherungen zu erkundigen. Tja, meint der 66-Jährige, vielleicht habe er schon viel früher als alle anderen bemerkt, wie sich die Branche wandelt.
„Kaffeefahrt ins Krematorium.“ Schmunzelnd streicht Karl Schumacher über den Zeitungsartikel von 2004, den er in seinem Notizbuch aufbewahrt. Alle hätten damals über ihn geschrieben. Der Bestatter aus Oberhausen lehnt sich im Bürostuhl zurück. „Sogar ein Reporter der ‚New York Times‘ ist mitgefahren.“ In einem Bus, 12,50 Euro pro Person, vom Ruhrgebiet zum Krematorium im niederländischen Venlo. Eine Informationsfahrt für künftige Kunden, um sich über billige Einäscherungen zu erkundigen. Tja, meint der 66-Jährige, vielleicht habe er schon viel früher als alle anderen bemerkt, wie sich die Branche wandelt.
Für die Beerdigung der Angehörigen wollen oder können Angehörige immer weniger Geld aufbringen. Die zunehmende Ökonomisierung des Todes bringt auch die Schattenseiten des Kapitalismus in einen Markt, der lange Zeit von Moralvorstellungen und religiösen Ansichten geprägt war. Einäscherungen zum Discount-Preis, Bestattungstourismus und von Kinderhand produzierte Grabsteine aus Asien – so lauten heute die Geschäftsmodelle. Einen Menschen beerdigen zu lassen, das kann laut Stiftung Warentest 900 Euro kosten, es gibt aber auch Angebote für 7000 Euro. Die Preise sind undurchsichtig – genauso wie die Strukturen der hart umkämpften Branche. Noch bis in die 1990er-Jahre hinein habe die Branche „im Dornröschenschlaf gelegen“, sagt der Soziologe Dominic Akyel von der Universität Köln. Erst durch den „Wandel sozialer Normen“ habe auch ein „wirtschaftlicher Wandel“ in der Branche stattgefunden. Der Wegfall des Sterbegeldes im Jahr 2004 hat den Umbruch verstärkt. Seit dem achten Angehörige stärker auf die Kosten – und Bestatter im Gegenzug auf ihre Preise. Bis dahin war das öffentliche Werben mit Angeboten verpönt.
Bestatter Schumacher brach als einer der Ersten mit diesem Tabu: „Dreimal wurde ich in den Anfängen dafür von Mitbewerbern verklagt.“ Mittlerweile gibt sogar die Stiftung Warentest den Ratschlag: „Preisvergleiche sind nicht pietätlos.“ 152 000 Ergebnisse spuckt Google zum Suchbegriff „Discount-Bestattungen“ aus. Zulassungsbeschränkungen gibt es laut Handwerksordnung nicht – ein Gewerbe-schein reicht aus. Forscher Akyel weiß, dass man sich in der Branche „eine goldene Nase verdienen kann“. Branchenkenner gehen davon aus, dass die Gewinnspanne der Unternehmen enorm ist. „Die billigsten Särge werden für nur zweistellige Summen eingekauft“, sagt Alexander Helbach, Sprecher der Verbraucherinitiative für Bestattungskultur Aeternitas. Jedoch: „Beim Bestatter bekommen Sie als Kunde keinen Sarg unter 400 bis 500 Euro.“ Über diese hohe Sarggebühr rechneten Bestatter früher die meisten ihrer Leistungen ab – auch die Personalkosten.
„Leichentourismus“ nach Tschechien
Mittlerweile würden viele die Kosten genauer aufschlüsseln, sagt Helbach. Bei Discount-Anbietern, die mit Preispaketen von teils unter 900 Euro werben, sollten Kunden genau hinschauen: Im Grundpreis seien viele Leistungen wie Überführungskosten, Trauerkarten und -anzeigen nicht enthalten, sagt Helbach. „Leichentourismus“ nennt Christian Jäger, Geschäftsführer vom Bestatterverband NRW, dieses Phänomen. Lkw beladen mit Körpern würden quer durch Deutschland und teils nach Tschechien oder in die Niederlande fahren, um eine möglichst billige Einäscherung zu bieten. Die vielen privaten Krematorien, die seit den 90er-Jahren in Deutschland entstanden sind, fechten einen harten Wettbewerb aus. Insider berichten von Prämien, die Bestattern pro Leiche gezahlt werden.
Aggressives Marktverhalten aber kratzt am Image der gesamten Branche. Um dagegen anzukämpfen, hat die Branche ein Gütesiegel entwickelt. Der Stiftung Warentest zufolge gibt es derzeit ein gutes Dutzend von Qualitätsplaketten verschiedener Verbände. Eine große Hilfe ist das nicht. Noch stellen die Discount-Anbieter aber nicht die Mehrheit in Deutschland. Während in den USA längst börsennotierte Konzerne den Bestattungsmarkt mitprägen, handelt es sich bei den meisten der rund 4000 deutschen Bestatter um Familienbetriebe. „Noch gibt es keine Supersärge bei Amazon“, sagt Forscher Akyel. Für die Zukunft ausschließen will er das aber nicht.