München/Mülheim. . Siemens-Chef Joe präsentiert am Donnerstagvormittag in München eine Rekordbilanz für das abgelaufene Geschäftsjahr. Doch die Mitarbeiter, die vor der Tür demonstrieren, warten einmal mehr auf Klarheit, wie es mit ihrer schwächelnden Kraftwerkssparte weitergehen soll. Am 16. November will Kaeser nun ein Konzept vorlegen und erklären, was sich wirklich hinter den von ihm angekündigten „tiefen Einschnitten“ verbirgt. Der Betriebsrat befürchtet, dass allein im Werk Mülheim bis zu 800 der 4500 Stellen gefährdet sein könnten.

Siemens-Chef Joe präsentiert am Donnerstagvormittag in München eine Rekordbilanz für das abgelaufene Geschäftsjahr. Doch die Mitarbeiter, die vor der Tür demonstrieren, warten einmal mehr auf Klarheit, wie es mit ihrer schwächelnden Kraftwerkssparte weitergehen soll. Am 16. November will Kaeser nun ein Konzept vorlegen und erklären, was sich wirklich hinter den von ihm angekündigten „tiefen Einschnitten“ verbirgt. Der Betriebsrat befürchtet, dass allein im Werk Mülheim bis zu 800 der 4500 Stellen gefährdet sein könnten.

Power & Gas, so heißt die Siemens-Sparte, kämpfe seit Längerem mit „einem schwierigen Markt“ und „gewaltigen Verschiebungen“, sagt Kaeser. Wegen der wachsenden Bedeutung von erneuerbaren Energien rechnet er damit, dass es weltweit nur noch einen jährlichen Bedarf von 100 bis 120 großen Gasturbinen geben werde. Vor einigen Jahren seien es noch 400 gewesen.

„Das ist nicht nur ein Siemens-Thema“, betont der Konzernchef im Hinblick auf seine Konkurrenten, die ebenfalls über Auftragsrückgänge klagen. „Siemens hat sich noch am besten gehalten. Vieles läuft sehr gut“, so Kaeser.

Ergebnismarge liegt bei 10,3 Prozent

Wie gut die Kraftwerkssparte immer noch da steht, zeigen die Zahlen, die Finanzchef Ralf Thomas präsentiert: Im Geschäftsjahr 2016/17 brach der Auftragseingang zwar um 31 Prozent ein. Mit Power & Gas machte Siemens aber immer noch 15,5 Milliarden Euro Umsatz und kam auf eine Ergebnismarge von 10,3 Prozent. Der Gewinn vor Abzug von Zinsen, Steuern und Abschreibungen lag bei 356 Millionen Euro. Thomas geht allerdings davon aus, dass sich die Lage bei Power & Gas im kommenden Jahr deutlich verschlechtern werde. Zudem hat er bereits erhebliche Kosten für einen Personalabbau eingeplant.

Sehr viel klarer als ihre beiden männlichen Vorstandskollegen äußert sich Personalchefin Janina Kugel. „Defizitäre Geschäfte auf Dauer zu subventionieren, würde uns schaden. Wir prüfen alle Optionen“, unterstreicht sie. Die Worte Werkschließungen und Kündigungen nimmt die Top-Managerin nicht ausdrücklich in den Mund, hat diese aber im Sinn, als sie auf den „Pakt von Radolfzell“ zu sprechen kommt. Das Regelwerk hat Siemens 2008 mit dem Betriebsrat und der Gewerkschaft IG Metall ausgehandelt. Darin steht: „Es werden keine Standorte geschlossen oder verlagert.“ Und: „Betriebsbedingte Kündigungen werden nicht ausgesprochen.“ Der Pakt enthält aber auch Klauseln, auf die sich Kugel jetzt beruft. Erreiche ein Standort eine „kritische Größe“, müssten alternative Beschäftigungsmöglichkeiten angeboten werden, heißt es im Papier. Und: Kündigungen seien möglich, wenn sie „einvernehmlich zwischen Firmenleitung, Gesamtbetriebsrat und IG Metall“ beschlossen werden. Die Gespräche mit der Arbeitnehmerseite will Personalchefin Kugel nach der Präsentation ihrer Abbaupläne am 16. November im Wirtschaftsausschuss mit den Mitbestimmungsgremien „so zeitnah wie möglich“ führen, wie sie sagt.

Derweil formiert sich der Widerstand gegen die Pläne, denen unbestätigten Meldungen zu Folge bis zu 4000 Stellen zum Opfer fallen könnten. Die IG Metall spricht in einem Flugblatt von einem „Angriff auf Radolfzell“.

Die Äußerungen des Siemens-Vorstands zur Zukunft der Kraftwerksparte stoßen bei Arbeitnehmern auf Ablehnung. „Herr Kaeser legt nur noch Wert auf Finanzkennzahlen. Er stellt die Marge vor den Menschen“, sagt der Mülheimer Betriebsratsvorsitzende Pietro Bazzoli mit dieser Zeitung. Die Belegschaft habe „null Verständnis“ dafür, „in einer Phase der Herausforderung mit Kahlschlagsplänen konfrontiert zu werden“.

Druck auf den Vorstand

Während an den kleineren ostdeutschen Standorten wie Görlitz, Leipzig und Erfurt die Angst vor Werkschließungen umgeht, formiert sich auch in Mülheim Protest. Die Politik übt Druck auf den Vorstand aus, den strukturschwachen Osten nicht auch noch durch einen Kahlschlag bei Siemens zu schwächen. Das könnte zulasten des Mülheimer Dampfturbinen- und Generatorenwerks gehen, heißt es. Kugel betont. „Wir werden hier nicht Standorte gegeneinander aufhetzen“, so Kugel. Man sei nicht „auf dem Jahrmarkt“, sondern arbeite an Lösungen für das gesamte Unternehmen.“