Essen. . Finanzökonom John E. Morton leitet in Deutschland ein Forschungsprojekt zur Finanzierung der Energiewende. Im Interview fordert er mehr Tempo.
Er beriet dem amerikanischen Präsidenten Barack Obama in Umweltfragen, nun soll er in Deutschland Geld für den Klimaschutz mobilisieren: Der US-Ökonom John E. Morton beginnt ein neunmonatiges Forschungsprojekt in Leipzig, gefördert von der Essener Mercator-Stiftung. Im Gespräch mit Frank Meßing erklärt er, wie er mehr privates Kapital mobilisieren will, um die Energiewende und den globalen Klimaschutz zu beschleunigen.
Mister Morton, was führt sie von der amerikanischen Hauptstadt Washington D.C. nach Essen?
John E. Morton: Ich beginne mein neunmonatiges Mercator Senior Fellowship, gefördert von der Essener Stiftung Mercator, an der Handelshochschule Leipzig, wo ich erforsche, wie ausreichend privates Kapital für den globalen Klimaschutz mobilisiert werden kann. Während meiner Zeit als Mercator Senior Fellow werde ich mit verschiedenen privaten Investoren wie Unternehmen, Pensionsfonds und Versicherungen reden, um erfolgversprechende Strategien zu identifizieren wie privates Kapital viel schneller genutzt werden kann, um den globalen Übergang zu einer kohlenstoffarmen Wirtschaft zu unterstützen.
Reichen die Anstrengungen von Regierungen nicht aus, die vereinbarten Klimaschutzziele zu erreichen?
John E. Morton: Staatliche Politik und Mittel sind notwendig, aber nicht ausreichend. Bei der Gestaltung der Energiewende müssen wir generell schneller werden. Dies erfordert den Einsatz auch von privatem Kapital und Privatinvestitionen. Vor allem in den Entwicklungs- und Schwellenländern ist der Bedarf riesig, in den Klimaschutz zu investieren.
Gibt es auch gute Beispiele?
John E. Morton: Es gibt viele Positivbeispiele. Im vergangenen Jahr gab es weltweit mehr Investitionen in erneuerbare Energien als in fossile Brennstoff-Energie. Und Entwicklungsländer spielen hier eine Vorreiterrolle. Vorbild ist für mich Indien. Bis vor acht Jahren gab es dort überhaupt noch keine Nutzung der Solarenergie. Inzwischen haben die Inder mit privater Unterstützung eines der ambitioniertesten Sonnenenergie-Programme aufgelegt. Staatliche Unterstützung war zu Beginn erforderlich, aber privates Kapital übernimmt nun dort die Funktion das Programm rasant weiterzuentwickeln.
Welche Rolle spielt Deutschland?
John E. Morton: Deutschland kommt eine Schlüsselrolle bei der Förderung des globalen Übergangs zu einer kohlenstoffarmen Wirtschaft zu. Die Politik, die Deutschland vor fast einem Jahrzehnt einschlug, hat dazu beigetragen, eine große Nachfrage nach Solar- und Windprodukten zu schaffen, was wiederum die Kosten für Solar- und Windtechnologien reduzierte und sie auf der ganzen Welt erschwinglicher machte.
Die Bundesregierung setzt ganz auf die Elektromobilität. Sind E-Autos wirklich die Zukunft?
John E. Morton: Der Umstieg auf Elektroautos wird rund um den Globus sehr bald Fahrt aufnehmen. Das wird viel schneller gehen als erwartet. Auch beim Thema Mobilität übt Deutschland einen großen Einfluss aus. Für die deutsche Automobilindustrie stellt sich die Frage, ob sie führen oder folgen will. Der Weg zu neuen Antriebsformen wird gewaltige wirtschaftliche Auswirkungen mit sich bringen.
Ist die Autoindustrie vorbereitet?
John E. Morton: Die Hersteller werden in den unterschiedlichen Ländern spezifische Antriebsmodelle anbieten müssen. Es ist schwer vorstellbar, dass etwa in den USA flächendeckend Stromladesäulen aufgestellt werden können. Dort machen Hybrid-Lösungen Sinn.
Welches Auto fahren Sie selbst?
John E. Morton: An unserem Zweitwohnsitz in Leipzig verzichten meine Familie und ich komplett auf ein Auto. Wir nutzen das Fahrrad und den öffentlichen Nahverkehr sowie das dortige Car-Sharing-System. Zu Hause in Washington D.C. haben wir einen Hybrid-Wagen. So wie wir werden die Menschen weltweit künftig ganz unterschiedliche Mobilitätsformen nach Bedarf und Priorität nutzen. Dazu gehört auch das Car-Sharing. In USA wird ein Auto im Schnitt nur zu vier Prozent der Zeit von seinem Besitzer genutzt. Das macht doch keinen Sinn. Wenn sich mehrere Menschen ein Auto teilen, ist die Auslastung viel höher und für den Konsumenten viel wirtschaftlicher.
Sie waren der Umweltberater im Weißen Haus unter Präsident Barack Obama. Schmerzt es Sie, dass Nachfolger Donald Trump aus dem Pariser Klimavertrag ausgestiegen ist?
John E. Morton: Natürlich, ich bin sehr enttäuscht. Wir haben so hart und lange an dem Klimavertrag gearbeitet. Jetzt werfen ihn Trump und seine Leute einfach weg. Ich hoffe noch auf die Einsicht des Präsidenten, dass er in die Zukunft und nicht in die Vergangenheit investieren muss. Der Ausstieg aus der Kohleenergie ist für die kommenden zwanzig Jahre die größte Chance, neue Arbeitsplätze zu schaffen.
Wann rechnen Sie mit einem Aus für die Kohleverstromung?
John E. Morton: Ich gehe davon aus, dass in den nächsten zehn bis zwanzig Jahren keine neuen Kohlekraftwerke mehr ans Netz gehen werden und schon existierende Kohlekraftwerke abgestellt werden. Die Wirtschaftlichkeit von Kohle ist schon gefährdet und hierbei sind externe Kosten für den Schaden an Gesundheit und Umwelt noch nicht inkludiert. China und Indien haben bereits ein Moratorium beschlossen. Vietnam und Pakistan dagegen planen weiterhin mit der Kohlekraft. Wir sind inmitten des vorhersehbarsten, folgenreichsten und am schnellsten voranschreitenden ökonomischen Umwandlungsprozesses seit Jahrhunderten.
>>> Zur Person:
Der Finanzökonom John E. Morton beriet den US-Präsident Barack Obama in Fragen des Klimawandels und bei der Umsetzung der 2015 in Paris vereinbarten Weltklimaziele. Davor war er Vizepräsident für Politik, Stabschef und Chief Operating Officer der Overseas Private Investment Corporation – eine Entwicklungsbank der US-Administration. Im Auftrag der Essener Stiftung Mercator erforscht Morton nun, wie ausreichend privates Kapital für den globalen Klimaschutz mobilisiert werden kann.