Essen. . Für die Hochzeit mit Tata braucht Thyssen-Krupp-Chef Hiesinger eine Mehrheit im Aufsichtsrat – und muss wohl Zugeständnisse machen. Eine Analyse.

Thyssen-Krupp-Chef Heinrich Hiesinger wähnt sich auf der „Zielgeraden“ bei seinen Fusionsplänen mit Tata – doch das bezieht sich nur auf die Gespräche mit dem indischen Konkurrenten. Eine Mehrheit im eigenen Aufsichtsrat für den Zusammenschluss der Stahlsparten muss Hiesinger erst noch organisieren. Dass die Arbeitnehmervertreter gegen die Fusion sind, haben sie mehr als deutlich gemacht. Die Möglichkeit, dass Aufsichtsratschef Ulrich Lehner gegen alle Thyssen-Krupp-Gepflogenheiten mit seinem Doppelstimmrecht die Fusion gegen die Arbeitnehmerseite durchsetzt, scheint aber auch nicht mehr gegeben. Denn Großaktionär Cevian ließ durchblicken, Hiesinger bei seinen Fusionsplänen nicht zu folgen. Wie also geht es jetzt weiter?

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Mit dem Hinweis, man könne noch in diesem Monat eine Einigung erzielen und erwarte die Zustimmung der Gremien, hat sich der Konzernvorstand selbst unter Zeitdruck gesetzt. Betriebsrat und IG Metall lassen sich die Nähe zur Bundestagswahl nicht entgehen und wollen am 22. September in Bochum die Politik in die Pflicht nehmen. Die Großdemo sei „bewusst unmittelbar vor der Bundestagswahl terminiert“, räumte Konzernbetriebsratschef Willi Segerath unumwunden ein und fügte hinzu: „Die Unterstützung der Politik ist dringend erwünscht“.

Ziel der Konzernführung ist es, am 23. oder 24. September vom Aufsichtsrat grünes Licht für die Tata-Fusion zu erhalten. Wie Hiesinger das erreichen will, war nur zu erahnen, als in der Essener Zentrale betont wurde, es stünden noch Gespräche mit der Arbeitnehmerseite aus. Bleibt der aktivistische Aktionär Cevian bei seinem Nein, muss Hiesinger die Arbeitnehmerfront aufbrechen. Das dürfte seinen Preis haben.

Erhalt aller Standorte gefordert

Ohne Zugeständnisse an die deutschen Stahlkocher ist ein Einlenken von IG Metall und Betriebsrat kaum denkbar, zu eindeutig lehnen sie die Fusion bisher ab. Segerath legte noch einmal nach: „Es geht um nicht mehr und nicht weniger als um die Wurzel des Unternehmens und den Erhalt aller Standorte im Konzern.“ Eine Standortgarantie liegt damit als Forderung für eine Zustimmung nahe. Immer wieder wurden das Warmband-Werk in Bochum und das defizitäre Grobblech-Werk im Duisburger Süden als heißeste Schließungskandidaten gehandelt.

Kurios ist nun, dass sich die Verhandlungsposition der Arbeitnehmer ausgerechnet durch das Querstellen des sonst gern als „Heuschrecke“ verschrienen Finanzinvestors verbessert hat. Der im Aufsichtsrat vertretene Großaktionär sähe den Konzern Berichten zufolge am liebsten in seine Einzelteile zerlegt, weil er sich davon eine Aufwertung seines Investments verspricht. Das ist zwar ganz und gar nicht im Interesse der IG Metall, denn das Wohl der Stahlkocher treibt Cevian sicher nicht am meisten um. Doch wenn die Arbeitgeberseite nicht mehr geschlossen hinter Hiesinger stünde, wäre der plötzlich auf Stimmen aus der Arbeitnehmerseite angewiesen.

Wollen Betriebsrat und Gewerkschaft ihre Gesichter wahren, müssten sie etwas vorzeigen können, was eine Fusion mit Tata für die Beschäftigten doch erträglich machen könnte. Jobgarantien gelten für die Stahlsparte in Deutschland ohnehin bis 2021. Da aber auch Tata den britischen Werken Garantien bis 2021 gegeben hat, müssten die Zusagen in Deutschland darüber hinausgehen, um die Lage hierzulande zu verbessern. Das hochmoderne Tata-Vorzeigestahlwerk im niederländischen IJmuiden gilt wie Europas größtes Stahlwerk von Thyssen-Krupp im Duisburger Norden ohnehin als unantastbar.

Neue Garantien würden freilich die bisher auf 400 bis 600 Millionen Euro pro Jahr taxierten Synergien schmälern. Viele Alternativen hat Hiesinger aber nicht. Platzt sein fast fertiger Tata-Deal noch, dürfte der Aktienkurs böse leiden, sein Ruf ebenso.

Wenig überzeugende Alternativen

Die Zerschlagungs-Szenarien sind auch nicht in seinem Sinne. Die Einzelvermarktung der Sparten hätte mit dem Verbund eines eng verzahnten Industriekonzerns nichts mehr zu tun. Und die Idee, Thyssen-Krupp nach dem Vorbild des Energiekonzerns RWE aufzuspalten, ist das Gegenteil dessen, was Hiesinger will: Dann würden die hochprofitablen Sparten wie Aufzüge und Autokomponenten verkauft, um den Stahl zu entschulden. RWE hatte sein Zukunftsgeschäft „Innogy“ an die Börse gebracht und mit den Einnahmen das Kraftwerksgeschäft stabilisiert.

Eine Fusion von Thyssen-Krupp, Salzgitter und Georgsmarienhütte will eigentlich niemand. Denn eine deutsche Fusion würde auch nur in Deutschland Arbeitsplätze kosten. Und einfach alles beim Alten zu lassen, ist für Hiesinger angesichts der Überkapazitäten auch keine echte Alternative.