Essen/Duisburg. . Thyssen-Krupp-Chef Hiesinger ist fast am Ziel: Die Fusion mit Tata steht vor dem Abschluss. Der Betriebsrat kündigt erbitterten Widerstand an.

Seit anderthalb Jahren spricht Thyssen-Krupp-Chef Heinrich Hiesinger mit dem indischen Konkurrenten Tata über eine Fusion der europäischen Stahlsparten. Hiesinger hat immer erklärt, die Branche stehe ohnehin vor einer Konsolidierung, Thyssen-Krupp müsse dabei eine aktive Rolle spielen. Jetzt scheint der Schwabe kurz davor, die von ihm favorisierte Fusion in trockene Tücher zu bringen.

Man sei auf „der Zielgeraden“, eine Einigung „noch in diesem Monat möglich“, hieß es am Montag aus der Essener Zentrale. Für eine offizielle Sprachregelung ist das ungewöhnlich offensiv. Bisher hatte der Konzern auf Fusionsgerüchte stets reserviert reagiert.

Aufsichtsrat könnte Grundsatzeinigung absegnen

Ende September endet das Geschäftsjahr 2016/17 von Thyssen-Krupp. Der Aufsichtsrat könnte am 23. oder 24. September eine Grundsatzeinigung, ein Memorandum of Understanding, absegnen, die es freilich noch nicht gibt, weil noch Details zu klären sind.

Die Betriebsräte sind dagegen, sie befürchten den Verlust Tausender Arbeitsplätze und die Schließung ganzer Werke im Ruhrgebiet. Besonders um die Standorte Bochum und Duisburg-Süd bangt der Betriebsrat. Eine Fusion mit Tata bringe auf keinen Fall das, was der Konzern jetzt vor allem brauche – „frisches Geld“, sagte Stahl-Betriebsratschef Günter Back dieser Zeitung. Er sieht Parallelen zum Brasilien-Desaster, bei dem Thyssen-Krupp Milliarden verloren hatte. Back wirft Hiesinger vor, keinen Plan B zur Tata-Fusion zu haben.

Großdemo in Bochum geplant

Die IG Metall will vor der möglichen Entscheidung die Stahlkocher auf die Straße holen – die Großdemo ist für den 22. September in Bochum geplant. Aus der Gewerkschaft hieß es, die Arbeitnehmervertreter würden im Aufsichtsrat geschlossen gegen eine Grundsatzeinigung stimmen. Aufsichtsratschef Ulrich Lehner müsse bei einem Patt schon von seinem doppelten Stimmrecht Gebrauch machen, um die Fusion durchzuboxen. Das wäre ein Novum bei Entscheidungen über die Keimzelle des Traditionskonzerns.

Hiesinger plant ein Joint Venture mit Tata, an dem die Partner dem Vernehmen nach jeweils 50 Prozent halten sollen. Damit bliebe Thyssen-Krupp gleichberechtigt beteiligt, könnte das Stahlgeschäft aber entkonsolidieren – sprich als Kerngeschäft aus der Konzernbilanz lösen und nur noch als Beteiligung fortführen. Das würde Verschuldung und Pensionslasten senken sowie die viel zu niedrige Eigenkapitalquote des Dax-Konzerns erhöhen.

Finanzinvestor Cevian drängt auf Zerschlagung

IG Metall und Betriebsrat werfen dem Konzernvorstand deshalb Bilanzkosmetik auf Kosten der Arbeitnehmer vor. Dem Finanzinvestor Cevian, Großaktionär mit rund 15 Prozent der Anteile, gingen mögliche Einsparungen durch eine Fusion mit Tata dagegen nicht weit genug: Er dringe stattdessen auf eine Zerschlagung des Konzerns, berichtete Bloomberg unter Berufung auf Insider.

Die Konzernspitze will in den kommenden Wochen intensiv mit der Arbeitnehmerseite sprechen. Eine Argumentationslinie könnte sein, dass eine deutsche Lösung etwa mit Salzgitter hierzulande mehr Arbeitsplätze kosten würde als eine Fusion mit Tata. Genau aus diesem Grund hatte sich vor einem Jahr auch der damalige SPD-Chef Sigmar Gabriel gegen eine Deutsche Stahl AG ausgesprochen.