Essen. . Die Gründung des Essener Chemiekonzerns und BVB-Sponsors Evonik vor zehn Jahren steht für Strukturwandel im Revier – ein Rückblick.

Ziemlich am Anfang stand ein Ausrufezeichen auf dem Trikot von Borussia Dortmund. Im Sommer 2006 war der Name Evonik noch nicht reif für die Öffentlichkeit. Nur ein sehr kleiner Kreis im Konzern kannte die neue Marke. Die Folge war ein ungewöhnliches Sponsoring des Evonik-Vorgängers RAG. Die Mannschaft trug eine Saison lang ein Trikot, auf dem ein grünes Ausrufezeichen war. Erst mehr als ein Jahr später tauchte der Name Evonik auf, wenige Tage nach der Konzerngründung am 12. September 2007. Das Heimspiel gegen Bremen endete mit 3:0. „Wäre ja peinlich gewesen, wenn wir mit einer Niederlage begonnen hätten“, erinnert sich der damalige Evonik-Chef Werner Müller, der nun an der Spitze des Konzern-Aufsichtsrats steht.

Zehn Jahre später will das Unternehmen wieder feiern – mit einem Festakt in der Essener Philharmonie, zu dem auch NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) erwartet wird. Die Berliner Philharmoniker spielen Bruckner. Und der neue Konzernchef Christian Kullmann wird an eine Firmengründung erinnern, die auch für ein Stück Strukturwandel im Ruhrgebiet steht. „Mit der Gründung von Evonik ist auch der Kohleausstieg verbunden“, gibt Müller zu bedenken. Im nächsten Jahr endet der Betrieb in den beiden letzten RAG-Zechen. Tausende Arbeitsplätze wurden abgebaut, ohne betriebsbedingte Kündigungen.

„RAG zum strotznormalen Unternehmen machen“

Der Umbau der RAG mit einst mehr als 100 000 Mitarbeitern war eine komplexe Operation – Codename „Alpha“. Der Plan: Der sogenannte schwarze Bereich um die Kohle wird vom weißen Geschäft getrennt. Evonik startete mit Chemie, Energie und Immobilien. Bei der RAG blieben die Zechen. Später sollte sich Evonik auf die Chemie konzentrieren. „Mein Ziel war es, aus der RAG ein strotznormales Unternehmen zu machen“, sagt Müller. „Das heißt vor allem, ohne Subventionen auszukommen.“

Mit dem Projekt „Alpha“ sollte auch klar sein, dass nach Schließung der letzten Zeche keine Steuergelder für die Kosten beansprucht werden müssen, die der Bergbau hinterlässt. Zu diesem Zweck gibt es heute die RAG-Stiftung, die 68 Prozent der Evonik-Anteile hält. Die Dividenden fließen in die Kasse der Stiftung, die sich für alle Ewigkeit um die Folgekosten der Zechen kümmern soll.

„Zeitweise war es eine Zangengeburt“

Vor der Evonik-Gründung waren Eon, RWE, Thyssen-Krupp und Arcelor-Mittal die Großaktionäre der RAG. Die Konzerne vom Umbauplan zu überzeugen, sei „ein gutes Stück Arbeit“ gewesen, erinnert sich Müller. Zwischenzeitlich hat RWE sogar seine Ablösung als RAG-Chef herbeiführen wollen, was scheiterte – unter anderem an einem Veto von Kanzlerin Angela Merkel (CDU). „Es wäre falsch, Evonik als leichte Geburt zu bezeichnen“, sagt Müller. „Zeitweise war es eine Zangengeburt.“

Skepsis gab es auch beim damaligen Ministerpräsidenten Jürgen Rüttgers. Im Wahlkampf hatte Müller als RAG-Chef die Bergleute dazu aufgefordert, dem CDU-Kandidaten die Stimme zu versagen. Ob dies ein Fehler gewesen sei? „Ich würde es wieder so machen“, sagt Müller, der einst als Parteiloser im Kabinett des SPD-Kanzlers Schröder Wirtschaftsminister war. „Die Position von Herrn Rüttgers war doch klar. Er wollte den Bergbau schließen. Ich musste ein Zeichen gegenüber der Mitarbeitern setzen.“ Müllers Verhältnis zu Rüttgers war danach im Eimer. „Aber ich habe Politik immer so verstanden: Morgens kloppt man sich, abends trinkt man ein Bier zusammen. Zum Bier mit Herrn Rüttgers ist es allerdings nie mehr gekommen.“ Rüttgers hat nun zugesagt, zum Evonik-Festakt zu kommen. „Das finde ich gut“, sagt Müller.

„Ein Unternehmen ist nie fertig“

Eigentlich wäre Müller gerne direkt nach der Gründung der RAG-Stiftung an deren Spitze gerückt. Das blieb im verwehrt. Allerdings konnte er zunächst den Evonik-Chefposten übernehmen – und nach einer Pause dann den Stiftungsvorsitz. Manchem in der Politik ging es wohl darum, die Macht von Müller zu beschneiden, damit er nicht ähnlich einflussreich werden könnte wie einst Friedel Neuber an der Spitze der Landesbank WestLB. Müller hält dagegen: „Die Macht eines Bankenapparates wie zu Zeiten der WestLB habe ich nie gehabt.“

Ob das Projekt Evonik abgeschlossen sei? „Ein Unternehmen, das in der Zukunft bestehen will, ist nie fertig“, betont Müller. Evonik sei ein „sehr profitables Unternehmen mit einer guten Dividendenrendite“. Der Konzern müsse aber „noch ergebnisstärker werden“, was Anstrengungen erfordere.

Die Geschichte von Abschieden und Anfängen bekommt bald ein neues Kapitel. Der RAG-Konzern wurde 1968 gegründet – im 50. Jahr seiner Existenz endet der Bergbau. Müller sagt dazu: „Was Evonik angeht, so ist zu wünschen, dass das Unternehmen deutlich älter wird.“