Essen. . Der langjährige Eon-Chef Wulf Bernotat ist im Alter von 68 Jahren in Essen an einer Krebserkrankung gestorben – ein Nachruf.

Es ist im April 2009. Wenige Monate zuvor hat Wulf Bernotat die Führung des einflussreichen Wirtschaftsbündnisses Initiativkreis Ruhr übernommen. Das Kulturhauptstadt-Jahr 2010 rückt näher. Doch Bernotat befasst sich schon mit der ferneren Zukunft. Vor der Wirtschaftspublizistischen Vereinigung in Düsseldorf spricht er über seine Ideen für ein ressourcenschonendes Stadtviertel im Ruhrgebiet. Es geht um Elektromobilität, Niedrigenergie-Häuser, die Weiterentwicklung der Solaranlagen – „ein Musterprojekt für ein neues, innovatives Ruhrgebiet”. Später wird daraus das Bottroper Klimaschutzprojekt „Innovation City“, das nun auf 20 Revierstädte übertragen wird.

Zugegeben: Gemessen an den milliardenschweren Deals, die Bernotat im Laufe seines Berufslebens auf dem Schreibtisch hatte, ist das Bottroper Vorhaben ziemlich klein. Von 2003 bis 2010 steht Bernotat an der Spitze des Energieversorgers Eon. Er hat den einst wertvollsten Konzern Deutschlands entscheidend geprägt. Am Sonntag ist Bernotat im Alter von 68 Jahren in seiner Heimatstadt Essen gestorben. Was einer breiteren Öffentlichkeit lange Zeit verborgen geblieben ist: Mehrere Jahre lang hat er gegen den Krebs gekämpft.

„Just do it“

Als Bernotat Eon führt, ist der Energieversorger ein anderes Unternehmen als heute – ein sehr großer, stolzer und extrem gut verdienender Konzern. Auch der Chef strotzt vor Kraft und Selbstvertrauen. Sein liebstes Motto: „Just do it“ – einfach machen. Beim Mineralölriesen Shell ist Bernotat schnell aufgestiegen, danach hat er den Traditionskonzern Stinnes erfolgreich an die Börse gebracht.

Eon wird zu dieser Zeit noch von der alten Veba-Tradition geprägt. Es gibt keine Kunden, sondern Abnehmer. Englisch ist eine Fremdsprache. Der neue Chef Bernotat ist anders als die Veba-Garde. Er kommt von außen, spricht fließend Englisch und legt keinen Wert auf Einstecktücher. Auch Bernotat lässt sich auch von engen Mitarbeitern siezen und pflegt als Chef eine gewisse hierarchische Distanz, aber sie ist nicht mehr so groß wie bei seinen Vorgängern. So jedenfalls schildern es Weggefährten.

Börsenwert vervielfacht

Mit Bernotat als Konzernlenker vervielfacht sich der Börsenwert von Eon. Was keine Rendite bringt, wird verkauft. Mit Bernotats Vorgänger Ulrich Hartmann beginnt eine konsequente Spezialisierung auf die Energieversorgung. Von Unternehmen wie dem Immobilienkonzern Viterra, der Tankstellenkette Aral oder dem Verpackungshersteller Schmalbach-Lubeca trennt sich Eon.

Parallel läuft die Internationalisierung mit Zukäufen in Großbritannien, Rumänien, Ungarn, Tschechien, der Slowakei und Italien. „Mit Bernotat ist Eon internationaler und moderner geworden“, sagt der frühere Eon-Kommunikationschef Peter Blau.

„Grundlagen der heutigen Eon gelegt“

Im Übernahmekampf um den spanischen Versorger Endesa scheitert Bernotat allerdings trotz einer über 40 Milliarden Euro schweren Offerte am Widerstand der spanischen Regierung – die erbittert geführte Schlacht entscheiden die Rivalen Enel und Acciona für sich. Rückblick ist das wohl nicht von Nachteil für Eon gewesen. Denn nur kurze Zeit später wird Spanien von der Finanz- und Wirtschaftskrise besonders hart getroffen.

Konventionelle Kraftwerke und die Kernenergie prägen Eon, aber Bernotat formt auch eine Einheit für erneuerbare Energien im Konzern. Heute ist dieser Bereich der Kern der neuen Eon AG unter der Führung von Bernotats Nachfolger Johannes Teyssen. „Die Grundlagen der heutigen Eon wurden zu Bernotats Zeit gelegt“, sagt Peter Blau. Das Klimaschutzprojekt „Innovation City” wirkt wie ein Beleg für diese These. Bis zu seinem Tod ist Bernotat Aufsichtsratschef der Bottroper Projektgesellschaft geblieben.

„Nie ein trauriger Bernotat“

Auch sein Mandat als Aufsichtsratschef des Bochumer Immobilienkonzerns Vonovia legt Bernotat erst am Samstag nieder, einen Tag vor seinem Tod.

Menschen, die an der Seite von Bernotat gearbeitet haben, beschreiben ihn als nüchtern, analytisch und pragmatisch. Auch, wenn es in Gesprächen im Kreis von Vertrauten um seine Krankheit gegangen sei, habe für ihn vor allem die Frage im Vordergrund gestanden: „Was kann man tun, um die Sache in den Griff zu kriegen?“ Ganz sachlich sei er dabei gewesen, erinnert sich ein Weggefährte. „Wir haben oft gesagt: Er redet über seine Krankheit, als wenn ein anderer krank ist.“ Emotionen haben dabei nie im Vordergrund gestanden. Hintergründiger Humor indes hat dazugehört: „Er war nie ein trauriger Bernotat.“