Duisburg. . Außenminister Sigmar Gabriel unterstützt die IG Metall, die eine Stahlfusion von Thyssen-Krupp und Tata mit aller Macht verhindern will.

Der Yachtclub an Duisburgs Sechs-Seen-Platte strotzt vor Tradition. In einer Glasvitrine im Flur steht ein Pokal „für den besten Steuermann“ – und auch eine Schale mit dem Schriftzug „in dankbarer Anerkennung für kameradschaftlich gewährte Unterstützung“. Daneben liegt ein Teller, der den Namen „Rheinhausen“ trägt. Durch eine Tür mit Bullaugenfenster ist Sigmar Gabriel zu erkennen. Neben dem Bundesaußenminister sitzt Wilhelm Segerath, der Konzernbetriebsratschef von Thyssen-Krupp. Auch Duisburgs Oberbürgermeister Sören Link hat sich eingereiht in eine Riege von Arbeitnehmervertretern des Stahlkonzerns. Meist sind die Mienen ernst, gelegentlich wird gelacht.

Um 12 Uhr, so ist es angekündigt, will sich der Außenminister und Vizekanzler zur Lage von Thyssen-Krupp äußern. „Die brauchen noch zehn Minuten“, ruft jemand um kurz nach zwölf – am Ende werden es noch fast 30 Minuten sein, bis sich Gabriel vor die Kameras und Mikrofone begibt. „Wo ist der Willi?“, fragt Gabriel, bevor es losgeht. „Willi, du bist so weit weg von mir.“ Segerath soll neben Gabriel sitzen, Schulter an Schulter. Auch Bilder bieten Botschaften.

Wahlkampf – im Bund und beim Betriebsrat

Es sind Wahlkampfzeiten. In einem Monat geht es um die Kanzlerschaft und eine Koalition auf Bundesebene, im nächsten Jahr wird der Betriebsrat von Thyssen-Krupp neu gewählt. Auch die Gewerkschaft IG Metall muss sich dann ihre traditionell starke Stellung in den Stahlwerken von Duisburg, Bochum und Dortmund neu erkämpfen. NRW ist nicht nur für die Parteien, sondern auch für die Arbeitnehmervertreter wahlentscheidend.

Segerath lässt Zahlen sprechen: Von den fast 160 000 Thyssen-Krupp-Beschäftigten weltweit befinden sich 60 000 in Deutschland, 32 000 davon in Nordrhein-Westfalen. In der Stahlsparte arbeiten etwa 25 000 Menschen bundesweit, 22 000 davon in NRW.

„Eine Frage von nationaler Bedeutung“

Gabriel bezeichnet die Zukunft des Stahlstandorts Deutschland gar als „eine Frage von nationaler Bedeutung“. Entsprechend offensiv agiert der SPD-Politiker, wenn es um Deutschlands größten Stahlhersteller Thyssen-Krupp geht. Ohne große Scheu legt Gabriel dar, welche Erwartungen er an das Management um Vorstandschef Heinrich Hiesinger hat.

Gabriel warnt davor, die angestrebte Fusion der Thyssen-Krupp-Stahlsparte mit dem Europageschäft des indischen Herstellers Tata als „alternativlos“ anzusehen – und schlägt sich damit auf die Seite der IG Metall, die einen Deal mit Tata strikt ablehnt.

„Von mir aus auch mit dem Staat“

„Ich glaube, dass vieles für die Argumente der Betriebsräte spricht“, sagt Gabriel, „dass das eine Sackgasse ist und dabei ein schlechtes Geschäft für Thyssen-Krupp rauskommt.“ Er fordert den Vorstand auf, Alternativen zu Tata zu diskutieren – nicht öffentlich, sondern „in Strategierunden, von mir aus auch mit dem Staat“.

Denn es gebe Alternativen zum Bündnis mit den Indern – nationale und internationale. Seine Sorge sei, „dass wir am Ende wieder bei dem schlimmen Begriff ,alternativlos’ sind“, sagt Gabriel. Und er befürchte, dass „am Ende die Beschäftigten die Zeche zahlen – und der Standort Deutschland“.

Gabriel lobt Beispiel Salzgitter

Nebenbei erwähnt Gabriel noch, dass es Niedersachsen jedenfalls nicht geschadet habe, einen mehr als 25-prozentigen Anteil am Stahlkonzern Salzgitter zu haben. Auch im Fall Salzgitter sei es darum gegangen, eine Übernahme des heimischen Herstellers durch ausländische Konzerne zu verhindern. Zur möglichen Gründung einer „Deutschen Stahl AG“ sagt Gabriel: „Ich glaube, dass das eine denkbare Möglichkeit sein könnte.“ Es gebe Argumente, die für und gegen ein solches Bündnis sprechen.

Dann eilt Gabriel hinaus zu seiner Dienstlimousine – vorbei an der Glasvitrine im Flur und der Schale, auf der „in dankbarer Anerkennung für kameradschaftlich gewährte Unterstützung“ steht.