Frankfurt/Main. . Für die unvorstellbar hohe Summe von 60 Milliarden Euro kauft die Europäische Zentralbank (EZB) Monat für Monat Staatsanleihen der EU-Länder. Von Beginn an war das Kaufprogramm umstritten. Das Bundesverfassungsgericht scheint nun Zweifel zu haben, dass das Kaufprogramm mit dem Mandat der EZB vereinbar ist, und lässt diese Frage vom Europäischen Gerichtshof (EuGH) klären.

Für die unvorstellbar hohe Summe von 60 Milliarden Euro kauft die Europäische Zentralbank (EZB) Monat für Monat Staatsanleihen der EU-Länder. Von Beginn an war das Kaufprogramm umstritten. Das Bundesverfassungsgericht scheint nun Zweifel zu haben, dass das Kaufprogramm mit dem Mandat der EZB vereinbar ist, und lässt diese Frage vom Europäischen Gerichtshof (EuGH) klären.

Was ist der Anlass für die Vorlage an den EuGH?

Verschiedene Kläger, darunter der frühere CSU-Vizechef Peter Gauweiler und AfD-Mitbegründer Bernd Lucke, haben gegen das Milliarden-Kaufprogramm geklagt. Sie glauben, dass die EZB damit nicht nur Geldpolitik, sondern Wirtschaftspolitik betreibt, indem sie Staaten finanziert. Das jedoch würde das Mandat der Notenbank überschreiten.

Was kritisiert das Bundesverfassungsgericht?

Den Verfassungsrichtern erscheint das hohe Volumen als „unverhältnismäßig“, außerdem vermissen sie die Bereitschaft der EZB, laufend zu überprüfen, ob es noch erforderlich ist. Geklärt werden müsse auch, ob mit den Anleihenkäufen nicht verbotenerweise Staaten finanziert würden.

Warum entscheidet das Bundesverfassungsgericht nicht allein?

Fragen, die das europäische Recht betreffen, entscheidet nicht ein nationales Gericht, sondern der Europäische Gerichtshof. Auf der Basis der EuGH-Einschätzung wird anschließend das Bundesverfassungsgericht die Klagen weiter behandeln.

Was ist das Anleihekaufprogramm der EZB?

Die EZB kauft über die Notenbanken des Eurosystems – also etwa die Bundesbank – Staatsanleihen und andere Wertpapiere im Volumen von monatlich 60 Milliarden Euro. Zwischen März 2015 und Ende Juli hat sie Wertpapiere im Volumen von 2,01 Billionen Euro erworben. Das Programm soll bis Ende dieses Jahres laufen.

Gibt es Vorgaben für das Programm?

Vor zwei Jahren hatte der EuGH eine Entscheidung zur Rechtmäßigkeit des sogenannten OMT-Programms (Out-right Monetary Transactions) gefällt. Dieses Programm hatte die EZB auf dem Höhepunkt der Eurokrise angekündigt. Danach wollte sie im Notfall am Sekundärmarkt Staatsanleihen von Krisenstaaten kaufen, um diese zu stützen. Das Programm ist nie angewendet worden, allein die Ankündigung reichte aus, um die Märkte zu stabilisieren. An diesen Kriterien, die der EuGH damals aufstellte, müsse sich das laufende Kaufprogramm der EZB ausrichten, meinen die Bundesverfassungsrichter.

Welche Kriterien sind das?

Die EZB darf den Staaten nicht direkt Anleihen abkaufen, sondern diese nur am Sekundärmarkt erwerben, also von Banken oder anderen Investoren. Diese müssen ein bestimmtes Rating haben, Schrottanleihen darf sie nicht erwerben. Außerdem darf sie nur einen bestimmten Prozentsatz der Anleihen eines Landes kaufen – mehr als ein Drittel sind nicht erlaubt.

Hat das Programm Grenzen?

Diese ergeben sich allein aus der Verfügbarkeit ausreichender Papiere. Die Grenze von einem Drittel ist bei deutschen Staatsanleihen schon bald erreicht. Schon jetzt sei das Eurosystem, also die EZB und die Notenbanken des Euroraums, zum größten Anleihegläubiger der Euroländer geworden, mahnt etwa Jens Weidmann, Präsident der Deutschen Bun­desbank.

Was will die EZB mit dem Kaufprogramm erreichen?

Wenn die Notenbank Wertpapiere aufkauft, sinkt deren Zinsniveau. Staaten und Unternehmen können sich also billiger mit Geld versorgen. Die Geldschwemme soll auf diesem Weg die Konjunktur im Euroraum ankurbeln. Denn die Banken, denen die EZB die Anleihen abkauft, verfügen dann über mehr Liquidität, um Kredite zu vergeben an Unternehmen und Verbraucher. So kommt die Wirtschaft in Schwung, es entstehen neue Arbeitsplätze, das Lohnniveau und damit die Inflation können steigen.

Wie geht es nun weiter?

Das Bundesverfassungsgericht hat den EuGH um ein „beschleunigtes Verfahren“ gebeten – dennoch könnten bis zu einer Entscheidung in Luxemburg mehrere Monate vergehen. Die Verfassungsrichter könnten zu dem Schluss kommen, dass die Deutsche Bundesbank – denn nur für den deutschen Part können sie entscheiden – nicht mehr am Anleihekaufprogramm teilnehmen darf.