Heiligenhaus. Kiekert aus Heiligenhaus liefert Schließsysteme für jeden dritten Pkw. Nun will Kiekert vom autonomen Fahren und Elektromobilität profitieren.
Jedes dritte Auto weltweit ist mit einem Schließsystem des Herstellers Kiekert aus Heiligenhaus ausgestattet. Der Mittelständler bezeichnet sich selbst als „Technologieführer“. Und damit das so bleibt, will das Unternehmen auch bei Zukunftstrends wie dem autonomen Fahren und der Elektromobilität die Nase vorn haben: Autotüren ohne Griffe und Schlösser an den Ladestutzen.
„Seit dem Abgasskandal und der Elektromodell-Offensive von Tesla stehen wir vor einer Neudefinition des Produkts Auto“, sagt Entwicklungschef Thorsten Nottebaum. Aus Anlass des 160. Firmenjubiläums stellte Kiekert gestern in Heiligenhaus seine neuesten Innovationen vor. Nachdem das Unternehmen in seiner langen Geschichte bereits 1,9 Milliarden Schließsysteme in 500 Millionen Autos 60 unterschiedlicher Marken gebaut und in den 70er-Jahren die Zentralverriegelung erfunden hat, widmet es sich nun der „autonomen Autotür“, der die Zukunft gehören soll.
Autotür öffnet durch Berührung mit dem Finger
In einem Modellauto zeigt Kiekert, was Autofahrer in den nächsten Jahren erwartet: „Der Türgriff wird verschwinden. Damit sparen die Hersteller Gewicht und Kosten“, sagt Nottebaum voraus. Das vollelektronische „E-Schloss“ von Kiekert öffnet und schließt allein durch die Berührung mit der Fingerspitze oder mit Hilfe eines Impulses aus dem Mobiltelefon – auch wenn die Batterie leer sein sollte. „Wir bringen das E-Schloss gerade in Serie heraus“, kündigt der Entwicklungschef an.
Sensoren stellen sicher, dass ein Passagier die Autotür nicht öffnen kann, wenn ein Radfahrer naht oder ein Hindernis im Weg steht. Nottebaum führt vor, wie die sich öffnende Tür zentimetergenau vor einem Poller abbremst. „Unsere Ziele sind Sicherheit und Komfort“, betont Vorstandschef Karl Krause. Die „i-protect“-Technologie aus Heiligenhaus soll also nicht nur den Radfahrer schützen, sondern auch teure Kratzer und Dellen in der Fahrzeugtür vermeiden. Dritte Komponente der „autonomen Tür“ ist das Bewegungssystem „i-move“. Ähnlich wie bei manchen Heckklappen lässt sich die Tür aus dem Innenraum heraus per Knopfdruck öffnen und schließen.
Aber auch die Elektromobilität eröffnet Kiekert neue Geschäftsfelder. „Ohne den Verbrennungsmotor unter der Haube bekommt die Autofront eine ganz neue Bedeutung“, sagt der Vorstandschef. Das Unternehmen aus Heiligenhaus will deshalb sein bislang stark auf Seitenschlösser ausgerichtete Sortiment um Frontschlösser erweitern. Neu dazu gekommen sind auch Verriegelungen für Ladestecker der Elektroautos. „Der Stecker darf beim Laden nicht herausgezogen werden. Es besteht Brandgefahr“, so Krause.
Sechs Millionen Schließsysteme pro Jahr aus Heiligenhaus
Die Innovationen stammen aus dem Entwicklungszentrum in Heiligenhaus. Von den rund 450 Ingenieuren, die weltweit für Kiekert im Einsatz sind, arbeiten 200 in der Ruhrgebietsstadt. In den großen Hallen wird aber auch produziert: Nach Unternehmensangaben laufen in Heiligenhaus pro Jahr rund sechs Millionen Schließsysteme, die aus bis zu 130 Einzelteilen bestehen, vom Band. Standorte gibt es in weiteren neun Ländern, darunter China, Südkorea und Japan.
Im Jahr 1857 als Hersteller von Möbelbeschlägen mit nur vier Mitarbeitern gegründet, gehört Kiekert mit seinen inzwischen rund 6500 Beschäftigten seit dem Jahr 2012 zum chinesischen Industriekonzern North Lingyun. „Kiekert wächst Jahr für Jahr stärker als der Automarkt“, sagt Krause. 2017 peilt er einen Umsatz von 880 Millionen Euro an. Mit Beginn des neuen Jahrzehnts will er die Milliarden-Marke knacken.