Dinslaken. RAG und Stadt Dinslaken entwickeln das Bergwerk-Areal zum „Kreativquartier“. Erste Familien, Firmen und Künstler siedeln sich an.

Familie Wassong gibt ihren Wohnsitz in der malerischen Eifel auf und siedelt nach Dinslaken-Lohberg um. Auch Standby Pintsch, den schwedischen Hersteller von Warn- und Signalanlagen, zieht es auf das ehemalige Zechengelände, das die RAG Montan Immobilen gerade gemeinsam mit der Stadt zu einem „Kreativquartier“ entwickelt. Lohberg, der Stadtteil am Niederrhein mit sozialen Problemen und Schlagzeilen über die dort ansässige salafistische Szene, schöpft Hoffnung.

Nachdem die Kumpel Ende 2005 zum letzten Mal auf Lohberg eingefahren waren, begann die Arbeit von Bernd Lohse. Als Projektleiter bei der RAG Montan Immobilien hat er die schwierige Aufgabe, das 42 Hektar große Areal mit neuem Leben zu füllen und die Flächen zu vermarkten. „Im Jahr 2022 wollen wir hier durch sein“, sagt Lohse. Von der letzten Kohleförderung bis zur erwarteten Vollendung des „Kreativquartiers“ werden dann fast zwei Jahrzehnte vergangen sein. „Als Planer einer solchen Fläche braucht man Geduld“, meint er.

Im See spiegelt sich die Bergbau-Geschichte Lohberg.
Im See spiegelt sich die Bergbau-Geschichte Lohberg. © Lars Heidrich

Und was sind schon 20 Jahre gemessen an der Ewigkeit? Denn vermutlich für alle Ewigkeit wird die RAG das salzhaltige Grubenwasser ihrer stillgelegten Zechen abpumpen müssen, damit es sich nicht mit dem Grundwasser vermischt. Lohberg soll dabei der größte Standort werden, wenn Ende 2018 auch Prosper Haniel in Bottrop schließt: 120 Kubikmeter Grubenwasser pro Minute sollen vor allem in den Rhein geleitet werden. Auch diese zentrale Pumpstation wird Teil des Kreativquartiers und wie der Förderturm an die rund 100-jährige Bergbau-Tradition in Lohberg erinnern.

Die Geduld der RAG Montan Immobilen, die sich um die Hinterlassenschaften des Bergbaus kümmert, zahlt sich in dem Dinslakener Stadtteil aus. „Die depressive Stimmung nach der Zechen-Stilllegung haben wir überwunden“, sagt Lohse. Das Kreativquartier nimmt Form an. Der Theaterzyklus Ruhrtriennale war mehrfach in der Kohlenmischanlage zu Gast. Die Photovoltaik-Anlage auf dem Dach erzeugt Strom. Im Kohlerundeindicker hat der Künstler Thomas Schütte einen vier Meter hohen knallroten Hasen geschaffen, der wie die Theater- und Musikaufführungen Publikum von weit her anzieht. In einer Halle betreiben Künstler ihre Ateliers.

Projektleiter Bernd Lohse.
Projektleiter Bernd Lohse. © Lars Heidrich

Ein See, das schilfbewachsene Hochmoor und die Wildschweine in der grünen Abraumhalde, die demnächst für die Öffentlichkeit geöffnet werden soll, haben das ehemalige Bergwerk längst zu einem Naherholungsgebiet gemacht. Drumherum wachsen die Bereiche Wohnen und Arbeiten, die der RAG Montan Immobilien auch Geld in die Kasse spülen. Bis zu 300 Wohneinheiten sind geplant, bis zu 650 neue Einwohner sollen nach Lohberg kommen. Mehr als die Hälfte der Grundstücke für Eigenheime seien bereits vergeben, heißt es.

Die Familie Wassong aus der Eifel hat die Mischung aus grünem Umfeld und guter verkehrlicher Anbindung überzeugt. „Im übrigen Ruhrgebiet ist es schwer, bezahlbare Baugrundstücke zu finden“, sagt Stephanie Wassong. Das ist Wasser auf die Mühlen von Dinslakens Bürgermeister Michael Heidinger, der seine Stadt gern als „grünes Tor zum Ruhrgebiet“ preist und begrüßt, dass ihm die neuen Gewerbeflächen auf dem Zechenareal Chancen eröffnen, neue Firmen anzulocken.

Blaulichtanlagen und Gastronomiebedarf

Standby Pintsch ist eine davon. Die Schweden, die unter anderem Blaulichtanlagen für Rettungsfahrzeuge herstellen, wollen in ihre Firmenzentrale im Kreativquartier bauen und bis zu 50 Mitarbeiter beschäftigen. Vor dem Umzug steht auch die Firma Kiddy Box, die Gastronomiebetriebe mit Verpackungen für Kindermenüs beliefert.

Platz ist freilich noch für etliche andere Betriebe. Projektleiter Lohse ist in Lohberg neben den Vermarktungsfortschritten aber ein anderer Faktor wichtig: „Es tut mir in der Seele weh, wie die Menschen in diesem Stadtteil manchmal stigmatisiert werden“, sagt er. Durch integrative Projekte hat er die Anwohner an das Kreativquartier gebunden. „Zechen waren immer auch ein Ort der Vielfalt“, erinnert Lohse an türkische, osteuropäische und koreanische Kumpel, die auf Lohberg einfuhren sind. Insofern sei die Entwicklung des Quartiers auch eine „gesamtgesellschaftliche Aufgabe“.