Hattingen. . Solaranlagen auf dem Dach versorgen derzeit meist Eigenheimbesitzer und nur selten Mieter. Das könnte sich bald ändern. Ein Beispiel gibt es in Hattingen.

Eigentlich ist es ein naheliegender Gedanke, Solarstrom hoch oben auf dem Hattinger WiWoZu-Haus zu erzeugen. Das Dach ist nach Süden gekippt. „Daher hatten wir schnell den Gedanken: Das schreit nach einer Photovoltaik-Anlage“, sagt Rolf Novy-Huy. Er ist Mieter und Vorsitzender des WiWoZu-Vereins, dessen Mitglieder das Haus in Hattingen bewohnen. Das Kürzel steht für „Wir wohnen zusammen“. Die Idee, sich gegenseitig in einem Haus über die Generationen hinweg zu helfen, entstand vor zehn Jahren bei einem VHS-Kurs zum Thema „Gemeinsam statt einsam“.

Mix aus Solar- und Ökostrom

Neuerdings werden die mehr als 20 Mieter in dem Haus der Hattinger Wohnungsgenossenschaft (hwg) auch mit Sonnenstrom vom eigenen Dach versorgt. Der Düsseldorfer Öko-Energieversorger Naturstrom hat auf dem Gebäude eine Photovoltaik-Anlage errichtet und beliefert die Bewohner nun mit einem Mix aus hausgemachtem Solarstrom und Ökostrom aus dem Netz.

Mieterstrom-Projekte sind derzeit noch selten in Deutschland. Photovoltaik-Anlagen auf Hausdächern versorgen in aller Regel Eigenheimbesitzer. „Wohnungsunternehmen halten sich beim Thema Mieterstrom derzeit noch zurück, da es bestimmte Fallstricke gibt“, sagt hwg-Vorstandsmitglied David Wilde. „Mieteinnahmen sind frei von Gewerbesteuern. Es gibt Zweifel an diesem Privileg, wenn Immobilienunternehmen im großen Stil Strom verkaufen.“

Neues Gesetz sieht mehr Zuschüsse für Vermieter vor

Erst wenn rechtssicher geklärt sei, dass Mieterstrom-Projekte nicht die Gewerbesteuerfreiheit von Mieteinnahmen gefährden, würden sich Unternehmen häufiger im Energiebereich engagieren, erläutert Wilde. Interesse sei jedenfalls vorhanden. „Grundsätzlich können wir uns gut vorstellen, mehr im Bereich Mieterstrom zu machen.“ Die Bundesregierung und die Koalitions-Fraktionen haben ein Gesetz auf den Weg gebracht, das Solarstrom-Förderung nicht nur für Eigenheimbesitzer, sondern auch für Mieter vorsieht. Um die Investition attraktiv zu machen, sollen die Vermieter finanzielle Zuschüsse bekommen. Am Freitag wird das Gesetz im Bundesrat wohl durchgewunken.

„Von einer neuen gesetzlichen Regelung erhoffen wir uns einen Schub für weitere Vorhaben. Derzeit rechnet es sich vielerorts nicht, Mieterstrom-Projekte zu realisieren“, sagt Tim Loppe vom Energieversorger Naturstrom. Aktuell zählt das Düsseldorfer Unternehmen rund 20 Mieterstrom-Projekte bundesweit – unter anderem in Berlin, München und Niedersachsen. Mieterstrom lohne sich dort besonders für die Verbraucher, wo die Netzentgelte der örtlichen Versorger besonders hoch seien, erklärt Loppe. „In aller Regel sorgt der Mieterstrom für eine leichte Kostenentlastung bei den Verbrauchern. In Summe kann es jährlich in einem Durchschnittshaushalt um 50 bis 80 Euro gehen.“

Viele zu klärende Fragen

Dass sich bislang trotzdem vergleichsweise wenige Vermieter auf diesem Gebiet engagieren, hängt auch von den Interessen der Immobilienwirtschaft ab. „Es gibt natürlich viele Fragen im Zusammenhang mit Mieterstromprojekten“, sagt David Wilde von der Hattinger Wohnungsgenossenschaft. „Zum Beispiel: Wer zahlt bei Schäden am Dach durch Photovoltaikanlagen? Wie lange bindet man sich an einen Energieversorger? Diesen zusätzlichen Aufwand scheuen so manche Vermieter. Wir sind bei diesem Thema Überzeugungstäter.“ Er könne sich gut vorstellen, dass die Ansprüche der Mieter in Zukunft steigen werden, wenn es um das Thema Ökoenergie gehe, sagt Wilde.

„Mieterstrom bringt die Energiewende in die Städte“

Grundsätzlich sieht das Düsseldorfer Unternehmen Naturstrom ein Potenzial für Mieterstrom in rund 3,8 Millionen Haushalten in Deutschland. „Bislang waren Photovoltaik-Anlagen insbesondere in ländlichen Regionen verbreitet. Mieterstrom bringt die Energiewende in die Städte“, sagt Tim Loppe . „Wenn Mieter unmittelbar profitieren, steigt auch die Akzeptanz der Energiewende.“ WiWoZu-Mieter Rolf Novy-Huy sieht in der Solaranlage vor allem einen Beitrag zur Energiewende: „Die Freude an regenerativer Energieerzeugung ist für uns wichtiger als die Einsparung von ein paar Cent.“

>>> VONOVIA NUTZT DÄCHER

Einen weiteren Schritt auf dem Weg zu mehr Solarenergie in Städten gehen Vonovia und Eon zusammen in Dresden. Deutschlands größtes Wohnungsunternehmen hat gemeinsam mit dem Essener Energieanbieter damit begonnen, in Dresden die Dachfläche auf insgesamt 56 Wohnblocks mit rund 2500 Wohneinheiten zu nutzen und dort neue Photovoltaikanlagen zu installieren. Mit der Leistung von insgesamt rund 2,2 Megawattpeak könnte laut Eon rein rechnerisch der Verbrauch von 800 Haushalten gedeckt werden.

Die beiden Unternehmen arbeiten seit längerer Zeit zusammen. Derzeit betreibt Eon bereits über hundert Photovoltaikanlagen auf Wohneinheiten und Gebäudekomplexen der Vonovia, die sich auf mehr als 15 deutsche Städte verteilen, darunter München, Frankfurt, Stuttgart, Mannheim und Kaiserslautern.