Mülheim. . Jan Kolligs macht in Mülheim eine Ausbildung zum Feinwerkmechaniker und arbeitet dabei mit kleinsten Werkzeugen. Doch er ist einer von wenigen.
Das kleinste Werkzeug, das Jan Kolligs jeden Tag benutzt, ist ein Bohrer. Er hat einen Durchmesser von gerade einmal 0,1 Millimeter. Winzig kleine Löcher bohrt der 21-Jährige damit in Metalle, um dann Kabel hindurch zu führen. Er ist Azubi bei der Firma Gerstel in Mülheim, die Analysegeräte zum Nachweis organisch-chemischer Verbindungen produziert. Hochkonzentriert montiert Kolligs die einzelnen Bauteile, während einer seiner Kollegen in einem großen, braunen Paket gerade fein säuberlich ein fertiges Messgerät verpackt, um es an einen Kunden zu verschicken. Eine sichere Verpackung ist wichtig, damit das sensible Gerät auch heile etwa in Amerika oder Asien ankommt.
Jan Kolligs ist im letzten Jahr seiner Ausbildung zum Industriemechaniker mit der Fachrichtung Geräte- und Feinwerktechnik. Der Essener ist einer von wenigen: Dem Handwerk fehlt der Nachwuchs. Laut Fachverband Metall Nordrhein-Westfalen konnte jedes vierte Unternehmen im Metallhandwerk im vergangenen Jahr mindestens einen Ausbildungsplatz nicht besetzen. Die wirtschaftliche Lage schätzen hingegen mehr als die Hälfte der Unternehmen als gut ein. Nach Zahlen der Agentur für Arbeit waren im Mai 139 Bewerber und 271 Ausbildungsplätze gemeldet. 100 Ausbildungsplätze sind aktuell noch frei.
Bis zuletzt einen Azubi gesucht
Auch die Mülheimer Firma Gerstel macht sich Gedanken um ihren Nachwuchs. Für dieses Jahr haben sie bis zuletzt noch einen Azubi gesucht, inzwischen jedoch die Hoffnung aufgegeben. „Wir suchen unter den guten Bewerbern den Besten“, sagt Produktionsleiter Ortwin Schneider. Nachdem die Agentur für Arbeit für das Unternehmen eine Vorauswahl getroffen habe, kämen zwischen 50 und 75 Bewerbungen jährlich bei den Mülheimern an. „Vielen Jugendlichen ist nicht bekannt, dass sie sich in diesem Beruf ausbilden lassen können“, sagt auch Stephan Lohmann, Geschäftsführer des Fachverbands Metall. Schließlich arbeiten Feinwerkmechaniker in mittelständischen Unternehmen und nicht in bekannten Großbetrieben.
Bekannt sind allerdings die Kunden, die Gerstel mit seinen Analysegeräten ausstattet. Bayer, Mercedes oder Coca Cola gehören dazu. Aber auch Universitäten, Lebensmittelämter und Umweltbehörden nutzen die Geräte des Mülheimer Unternehmens für ihre Produktkontrollen, die Qualitätssicherung oder Umweltmessungen.
Die Geräte kommen etwa in der Lebensmittel- und Getränkeindustrie zum Einsatz. „Kaffeeröstereien prüfen zum Beispiel ihre Rohbohnen auf Schimmelpilzbefall. Dieser wird so erkennbar, noch bevor er mit den Augen zu sehen ist“, sagt Dirk Holtermann, stellvertretender Produktionsleiter in dem Betrieb. Dabei geht es stets um den Nachweis kleinster Mengen. Daher wird auch an die Messtechnik ein enormer Präzisionsanspruch gestellt und somit auch an die Mitarbeiter.
Kooperation mit Siemens
Drei Feinwerkmechaniker bildet die Firma Gerstel derzeit aus, in jedem Lehrjahr einen. 120 Mitarbeiter hat das Unternehmen an seinem Hauptstandort in Mülheim. Für seine Azubis im ersten Lehrjahr hat Gerstel eine Kooperation mit Siemens in Mülheim. In der dortigen Lehrwerkstatt leiten Ausbilder die Azubis an und vermitteln ihnen Grundlagen des Berufs. Ab dem zweiten Lehrjahr arbeiten sie im Betrieb mit.
Gerstel bildet für den eigenen Bedarf aus. „Wer einmal bei uns ist und gute Arbeit leistet, den geben wir nicht mehr her“, sagt Schneider. Schließlich sei es nicht nur schwierig Azubis zu finden, sondern auch geeignete Facharbeiter. Rund drei Viertel der feinwerkmechanischen Betriebe sehen den Fachkräftemangel laut Fachverband Metall als zentrale Herausforderung. „Gut ausgebildete Feinwerkmechaniker haben keine Probleme bei der Jobsuche“, sagt Stephan Lohmann.
Ein Beruf mit Zukunft
Dass sein Beruf ein Job mit Chancen ist, weiß Jan Kolligs: „Es ist ein zukunftssicherer Job. Messtechnik wird immer gefragter, da die Themen Qualität, Sicherheit und Umwelt immer stärker ins Bewusstsein der Menschen rücken.“ Und: Maschinen könnten seine Tätigkeit bis heute nicht ersetzen.
Mit dem Abschluss seiner Ausbildung ist für den 21-Jährigen das Ziel jedoch noch nicht erreicht: An der Abendschule möchte er seinen Techniker machen. Und wenn er dann noch Lust hat, möchte er eventuell Maschinenbau studieren. Dann wird Jan Kolligs mit deutlich größeren Werkzeugen zu tun haben als mit einem Bohrer, der einen Durchmesser von nur 0,1 Millimeter hat.
>>>> So viel verdient ein Feinwerkmechaniker:
Im ersten Ausbildungsjahr verdienen Lehrlinge 675 Euro, im zweiten 726 Euro, im dritten 785 Euro, im vierten Jahr 845 Euro.
Das Einstiegsgehalt nach abgeschlossener Ausbildung liegt nach Tarifvertrag bei 2147 Euro, im vierten Beschäftigungsjahr bei 2609 Euro.
Die Ausbildung dauert dreieinhalb Jahre. Bewerber benötigen einen Hauptschulabschluss.