Essen. . Die Chance des verrufenen Diesel-Motors liegt in seiner Sparsamkeit. Jetzt wird die Nachrüstung mit Partikelfiltern diskutiert.

2018 jährt sich das allererste Tuckern eines Dieselmotors zum 125. Mal. Seine Zukunft scheint die einst genial von Rudolf Diesel erdachte Erfindung jedoch hinter sich zu haben, zumindest als Antrieb im Pkw. Angesichts drohender Fahrverbote, nach Stuttgart zuletzt in Hamburg, halten sich die Verbraucher bereits beim Diesel-Kauf spürbar zurück, die Gebraucht-Preise geben nach, der Marktanteil an den Neuwagenzulassungen ist im April um 20 Prozent eingebrochen. Welche Chancen hat der sparsamste Verbrennungsmotor noch? Eine Bestandsaufnahme.

Das Spar-Prinzip

Gegenüber dem Benzin-betriebenen Verbrennungsmotor liegt der Wirkungsgrad des Diesel gut zehn Prozent höher. Beim Diesel geht weniger der eingesetzten Energie als nutzlose Abwärme durch den Auspuff verloren. Je größer ein Motor ist, umso höher ist der Effekt. Schiffsdiesel erreichen sehr hohe Wirkungsgrade bis 50 Prozent. Das kann kein anderer Verbrennungsmotor auch nur annähernd. Im Nutzfahrzeugbereich ist der sparsame Diesel deshalb noch auf Jahrzehnte unersetzbar. Lkw mit Benzinmotor verschlingen astronomische Literzahlen. Nur leichte Transporter im innerstädtischen Bereich können mittelfristig elektrisch betrieben werden.

In der Fahrpraxis ist beim Pkw der Verbrauchsvorteil gegenüber dem Benziner noch höher. Denn der Dieselmotor „säuft“ weder nach dem Kaltstart noch bei Vollgas, wenn beim Benziner jeweils die Verbrauchswerte explodieren. Gemessen am Ausstoß des klimaschädlichen Treibhausgases Kohlendioxid (CO2) liegt der tatsächliche Kraftstoffbedarf des Diesel-Pkw im Schnitt 20 Prozent niedriger als beim Benziner. Im jüngsten Test der Fachzeitschrift „ams“ verbrauchte eine fast zwei Tonnen schwere Mercedes-Limousine mit jeweils knapp 200 PS in der Praxis weniger als sechs Liter Diesel, jedoch fast neun Liter Benzin.

Das Problem: die Abgase

Das Problem des Diesels sind seine Abgaswerte. Er benötigt deshalb mehrere aufwendige Reinigungskomponenten: einen regenerierbaren Rußfilter, eine Abgasrückführung und eine chemische Nachbehandlung zur Vermeidung von Stickoxiden. Der Dieselmotor wird mit mehr Luft gefüttert, als zur Verbrennung des Kraftstoffs nötig wäre. Da Luft zu rund 80 Prozent aus Stickstoff und 20 Prozent aus Sauerstoff (Oxid) besteht, entstehen sehr viele Verbindungen aus den beiden Elementen.

Diese Stickoxide sind aller Wahrscheinlichkeit nach für viele Atemwegserkrankungen mitverantwortlich. Restlos sind sie nur aufwendig und unter Verwendung von Harnstoff zu entfernen. Dieser benötigt einen eigenen platzraubenden Tank und für das Wiederauffüllen eine eigene Infrastruktur, die nur ansatzweise besteht. Die Hersteller versuchten zu vermeiden, dass außerhalb der Wartungsintervalle Diesel-Besitzer selbst den nach Urin stinkenden Harnstoff in ihr Fahrzeug einfüllen müssen.

Der Kern des Diesel-Betrugs

Kern des Diesel-Betrugs ist, dass Volkswagen und andere Hersteller dieses Harnstoff-Verfahren möglichst häufig im Betrieb umgehen wollten. Ein legaler Trick ist es bislang, das Harnstoffverfahren unter 17 Grad Außentemperatur einfach abzuschalten, angeblich zum Schutz der Technik. Bei Prüfstandsläufen liegt die Temperatur jedoch im Labor über 20 Grad. Ohne Abschaltung können moderne Diesel-Pkw die hohen Anforderungen der Abgasnorm EU6 sogar real unterbieten. Die oben angesprochene Mercedes-Limousine unterbot im echten Straßenverkehr den Stickoxidgrenzwert (0,08 Gramm pro Kilometer) für Diesel um die Hälfte und blieb somit noch unter der Grenze für Benziner (0,06 g/km).

Die Kombination aus geringem Verbrauch und funktionierender Abgasreinigung ist also möglich. Die teure Abgasreinigung macht den ohnehin aufwendigeren Dieselmotor für kleinere Pkw-Klassen bereits jetzt unwirtschaftlich. So bietet Volkswagen im nächsten Polo nur noch einen statt mehrerer Dieselmotoren an.

Hohe Strafzahlungen drohen

Ohne einen gleichbleibend hohen Dieselanteil kann die Automobilindustrie jedoch die Vorgaben für den Flottenverbrauch nicht einhalten. Für jedes Gramm oberhalb des 2021 gültigen EU-Grenzwertes 95 Gramm Kohlendioxid pro Kilometer (entsprechend 4,1 Liter Benzin auf 100 Kilometer) sollen 95 Euro fällig werden – pro verkauftem Fahrzeug. Eine Aufrüstung der Abgastechnik im Diesel, um dessen Marktanteil zu stabilisieren, wird demnach günstiger sein als Strafzahlungen, die im zweistelligen Milliardenbereich liegen können.

2000 Euro Umrüstkosten?

Zudem hat es die Automobilindustrie bislang noch immer geschafft, angeblich existenzbedrohende Kosten für Umweltmaßnahmen im Auto innerhalb kurzer Zeit zu minimieren. Das war bei der Einführung des geregelten Katalysators Anfang der Neunziger Jahre genauso wie bei der Aufrüstung mit Diesel-Partikelfiltern zehn Jahre später. Und die Aufrüstung auf eine effektive Abgasreinigung ist bei den 43 Prozent der 15 Millionen Diesel-Pkw möglich, die mindestens EU5 erfüllen.

In der Branche wird von Kosten zwischen 1500 und 2000 Euro für die Harnstoff-Aufrüstung gesprochen und von einigen Hundert Euro für Motoren, bei denen ein Software-Update ausreichen soll. Lösungen soll ein Wettbewerb der EU bis Sommer finden. Danach könnte eine neue deutsche Bundesregierung ein Förderprogramm auflegen so wie vor zehn Jahren zur Nachrüstung mit Diesel-Partikelfiltern.