Essen. . Die RWE-Hauptversammlung in Essen wurde vom Streit um die Braunkohle geprägt. Der Konzern setzt weiter auf konventionelle Kraftwerke.

Antje Grothus hat sich ein rotes T-Shirt angezogen und fällt schon deshalb auf im Kreis der Anzugträger, die üblicherweise bei einer Hauptversammlung reden. RWE-Aktien hat die Frau aus Kerpen-Buir auch nicht. Umweltschützer des Verbands der Kritischen Aktionäre haben ihr ein Rederecht ermöglicht.

Und so kann Antje Grothus in der Essener Grugahalle ihre Geschichte erzählen: Dass sie als gebürtige Bochumerin ein „Ruhrpott-Kind“ sei. Der Opa war Steiger, der Bergbau gehörte dazu. Den Braunkohleabbau von RWE nennt sie hingegen „nicht mehr zeitgemäß“. Mehr noch: Sie sehe sich als „Konzernopfer“, da der Tagebau bald bis an den Rand ihres Heimatdorfs reiche. Durch die Verlegung der Autobahn 4 sei schon jetzt ihre Nachtruhe gestört. Die Häuserpreise fallen. Der nahe gelegene Hambacher Wald werde bald weggebaggert. „Zukunft sicher machen – das sieht anders aus“, sagt Antje Grothus mit Hinweis auf den neuen Konzernslogan.

Menschenkette vor der Grugahalle

Die Frau aus dem Braunkohlerevier ist Teil der fast schon alljährlichen Protestbewegung bei RWE-Aktionärstreffen. Draußen vor der Grugahalle bilden am Morgen mehrere Dutzend Kohle-Gegner eine Menschenkette. Am RWE-Turm hat die Polizei zuvor schon zehn Aktivisten in Gewahrsam genommen, die auf das Gebäude klettern wollten. Auch in der Grugahalle kommt es zu Protesten. RWE-Chef Rolf Martin Schmitz muss zwischenzeitlich seine Rede unterbrechen. Eine junge Frau, die in den Saal stürmt und „Kohle zerstört das Klima“ ruft, wird von Sicherheitsleuten weggetragen.

Auch vonseiten der Investoren gibt es kritische Stimmen, wenn es um das Thema Klimaschutz geht. „RWE ist nach wie vor der größte Kohlendioxid-Emittent in Europa – ein trauriger Negativrekord“, sagt Thomas Deser von Union Investment, der Fondsgesellschaft der Volks- und Raiffeisenbanken.

RWE-Chef Schmitz verteidigt die Braunkohle

RWE-Chef Schmitz verweist in seiner Rede unter anderem auf Kraftwerksschließungen und damit verbundene CO2-Minderungen. Die Braunkohle bleibe aber wichtig für eine bezahlbare und sichere Energieversorgung. „Derzeit basieren 25 Prozent der Stromerzeugung in Deutschland auf der Braunkohle“, gibt Schmitz zu bedenken. Im vergangenen Jahr seien bundesweit noch etwa 70 Prozent des Stroms in konventionellen Kraftwerken produziert worden. „Auch im Jahr 2030 werden es absehbar noch rund 50 Prozent sein“, sagt Schmitz.

Doch manche Aktionäre hegen Zweifel daran, dass dies als Geschäftsmodell für die Zukunft ausreicht. Die Bereiche Ökostrom, Energienetze und Vertrieb liegen nun bei der Tochterfirma Innogy, an der RWE noch 77 Prozent der Anteile hält. Thomas Hechtfischer von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitzt fragt, ob RWE vor allem im „Abwicklungsmodus“ sei. Winfried Mathes von der Sparkassen-Investmentfirma Deka konstatiert: „RWE hat eine reiche Tochter – und lebt selbst in Tristesse.“ Während Innogy eine Dividende zahlt, gehen die RWE-Aktionäre zum zweiten Mal in Folge leer aus.

Kommunale Aktionäre zufrieden

Die kommunalen Aktionäre unterstützen den Kurs der Konzernführung. Es gibt Lob für den erfolgreichen Börsengang von Innogy. „RWE ist wieder auf einem guten Weg“, sagt Wolfgang Schäfer, der Geschäftsführer der kommunalen RWE-Aktionäre aus Westfalen.

Insbesondere die Perspektive, dass RWE in den nächsten drei Jahren mindestens 50 Cent pro Aktie als Dividende ausschütten will, hat die Gemüter beruhigt. Ernst Gerlach, der für die kommunalen Aktionäre aus dem Rheinland spricht, nennt die kurzfristige Dividendenstreichung für die Jahre 2015 und 2016 zwar „ärgerlich“, für die Zukunft zeige RWE jetzt aber Verlässlichkeit.