Recklinghausen. . Klassisches Handwerk trifft Digitalisierung: Der Anlagenmechaniker für Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik arbeitet mit Zange und iPad.

Ein gutes halbes Jahr ist Raimond Dibrani jetzt dabei, sein Blick auf die gelöste Siebkappe des Wasserhahns schon recht routiniert. Doch allzu große Routine mag er gar nicht, sagt er, und gerade deshalb diesen Beruf. „Wir machen so viele verschiedene Sachen, mal im Bad, mal an der Klimaanlage, es ist sehr abwechslungsreich“, sagt der 23-Jährige. Er macht eine Ausbildung zum Anlagenmechaniker für Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik (SHK). Vor sieben Jahren kam er aus dem Kosovo nach Deutschland, lernte die fremde Sprache, machte sein Fachabi und steht nun neben seinem Meister. Schafft er die Ausbildung, hat er beste Aussichten auf einen gut bezahlten Job. Denn diesem Handwerk gehen wie vielen anderen auch die Fachkräfte aus.

Meister Michael Rawe führt mit seinem Bruder Andreas einen Familienbetrieb in Recklinghausen. Es ist kein sehr großer Betrieb mit seinen 18 Mitarbeitern, trotzdem bilden die Rawes derzeit fünf Lehrlinge aus und stellen zum neuen Ausbildungsjahr auch wieder zwei ein. Denn sie wissen, dass es immer schwerer wird, Nachwuchs zu finden – und zu behalten, wenn er sich gut macht. „Die Industrie klaut unsere Fachkräfte“, sagt Rawe. Wohnungs- und Energie-Unternehmen, die nicht selbst ausbilden, werben Gesellen und Meister ab, locken mit höheren Löhnen, klagt er. Und sagt: „Das bedeutet für uns, dass wir noch besser und auch teurer werden müssen, um gute Leute halten zu können“, sagt Rawe.

„Die Industrie klaut unsere Fachkräfte“

Für junge Menschen, die einen Beruf mit Perspektive suchen, ist eine Lohnspirale nach oben freilich nicht die schlechteste Aussicht. Die Bundesagentur für Arbeit (BA) legt unentschlossenen Bewerbern einige Berufe besonders ans Herz, die wenig gefragt, obwohl sehr zukunftsträchtig sind. Sanitär, Heizung und Klima gehört dazu. Moderne Heizungsanlagen, das große Thema Energiesparen und das vernetzte „smart home“ machen die Ausbildung vielseitiger und anspruchsvoller. Das sei bei vielen noch nicht angekommen, heißt es, „viel zu oft steckt in den Köpfen noch das alte Bild des Arbeitsplatzes Bad/Toilette“.

Deshalb werden in der Berufsgruppe Klempnerei, Sanitär, Heizung und Klimatechnik in NRW seit Jahren mehr Stellen angeboten, als sich junge Menschen bewerben. Immerhin ist die Zahl der Bewerber zur Halbjahresbilanz des Ausbildungsjahres 2016/17 erkennbar gestiegen – gegenüber dem Vorjahreszeitraum um 14,6 Prozent auf landesweit 1451. Doch die Betriebe bieten über die Stellenbörse der Bundesagentur 1639 Plätze an, werden also ihren eigentlichen Bedarf an Nachwuchs wieder nicht decken können.

Image-Kampagne betont Vielseitigkeit der Branche

m Ruhrgebiet ist das noch nicht so dramatisch, Stellen und Bewerber halten sich in etwa die Waage, so auch im Kreis Recklinghausen, in dessen Innung Michael Rawe als Obermeister eine Imagekampagne angestoßen hat. Denn auch wenn er und seine Kollegen bisher ihre Lehrstellen besetzen können – der Kampf mit anderen Branchen um die besten Nachwuchskräfte ist in vollem Gange. „Die Bewerbungen werden weniger und auch ihre Qualität nimmt ab“, sagt Rawe, „vor allem die mathematischen Grundlagen sind oft mangelhaft.“ Prozentrechnung und Dreisatz müssten schon beherrscht werden.

Am wichtigsten sei ihm aber die Einstellung: „Wenn ich sehe, dass einer bereit ist, auch etwas mehr zu tun als nötig, wenn er wirklich will, dann weiß ich, der macht seinen Weg.“ Um Missverständnisse zu vermeiden, bietet Rawe Bewerbern Praktika an. „Er oder sie kann sich dann unseren Betrieb ansehen und wir lernen unsere Azubis kennen.“

Experten für die Energiewende daheim

Wer sich darauf einlässt, merkt bald, dass der traditionelle Handwerksberuf längst im 21. Jahrhundert angekommen ist. Raimond Dibrani hat gerade ein iPad in der Hand und steuert damit ein kleines Blockheizkraftwerk. Die Digitalisierung ist in Bad und Heizungskellern in vollem Gange und deshalb auch Teil der Ausbildung. Die künftige Vernetzung aller Haushaltsgeräte einer Wohnung ist für die Branche eine neue, große Chance. „Unser Handwerk hat goldenen Boden“, sagt Rawe, „aber die Zukunft sieht noch viel besser aus.“

Der SHK-Fachverband NRW sieht seine Branche bereits „mitten im Fachkräftemangel“. Jeder fünfte Hausbesitzer wolle in den kommenden Jahren ein neues Bad oder eine neue Heizung anschaffen. Für die Energiewende daheim brauche es „viele fachkundige Hände“, so Verbandssprecherin Natascha-Christine Daams. Damit bald ein paar Hände hinzukommen, wirbt die Branche nun verstärkt auch um Studienabbrecher. „Ein BWL-Absolvent wird länger nach einem guten Job suchen als ein Anlagenmechaniker für SHK“, sagt Daams.