Mülheim. . Die Hochschule Ruhr West führt in Mülheim einen Studiengang E-Mobilität ein. Auf dem Lehrplan soll auch das autonome Fahren stehen.

In einer Halle der Hochschule Ruhr West (HRW) in Mülheim steht ein Rennwagen, den ein Elektromotor antreibt. Formel-1-tauglich ist das Gefährt noch nicht, gehört aber zum studentischen Konstruktionswettbewerb Formula Student Germany. Die junge Hochschule mit ihrer Filiale Bottrop will jetzt noch stärker in das Zukunftsfeld eintauchen und startet im Herbst den Studiengang Fahrzeugelektronik und Elektromobilität, den es in ähnlicher Form im Ruhrgebiet bislang nur an der Fachhochschule Dortmund gibt.

Ölpreis kann nur nach oben gehen

Klaus Thelen weiß, wovon er redet. Der Mülheimer Professor hat selbst für einige Jahre bei einem Autozulieferer gearbeitet. „Die Automobilbranche steht vor einem gigantischen Umbruch“, prophezeit Thelen. „Nicht nur die Elektromobilität, vor allem das autonome Fahren wird alles auf den Kopf stellen“, sagt der Mess- und Sensortechniker. Die bevorstehende Neuerfindung der Autobranche leitet der Professor auch aus den vier weltweiten Megatrends ab: der Trend zu Riesenstädten, in denen Mobilität immer schwieriger wird; die Energiewende, die Verbrennungsmotoren verdrängt; das steigende Sicherheitsbedürfnis von Autofahrern und anderen Verkehrsteilnehmern; und schließlich die alternde Gesellschaft, in der jung gebliebene Alte mobil bleiben wollen.

Klaus Thelen
Klaus Thelen © Volker Hartmann

„All diesen Themen muss sich die Autowirtschaft widmen. Die Digitalisierung ist dabei nur ein Werkzeug“, sagt Thelen. Er ist davon überzeugt, dass die Elektromobilität nicht mehr aufzuhalten und schon bald bezahlbar sein werde. „Erdöl ist endlich. Deshalb kann der Ölpreis mittelfristig nur nach oben gehen“, prognostiziert der Professor. Gleichzeitig sei mit einer Halbierung des Preises für Photovoltaik-Module im Zehn-Jahres-Rhythmus zu rechnen. Das drücke langfristig die Strompreise. Und: „Die Batteriepreise werden deutlich fallen, weil allein der Elektroautobauer Tesla die weltweite Batteriekapazität bis zum Jahr 2020 verdoppeln wird.“ So wagt Thelen die These, dass sich schon bald die Anschaffung eines Elektroautos für Verbraucher eher lohne werde als der Kauf eines Dieselmodells. Auf einen konkreten Zeitpunkt will er sich aber nicht festlegen.

Branche braucht neue Fachleute

Unter diesen Voraussetzungen, so sieht es auch die Mülheimer Maschinenbau-Professorin Katja Rösler, werde die Autoindustrie „ganz andere Fachleute“ benötigen. „In den Werkstätten wird der Ölwechsel wegfallen“, nennt Rösler ein einfaches Beispiel mit großer Wirkung. In Tausenden Autohäusern und Werkstätten stelle sich in den nächsten Jahren das Nachfolgeproblem. „Man wird ein Studium brauchen, um Werkstätten zu leiten“, sagt die Wissenschaftlerin.

Katja Rösler.
Katja Rösler. © Volker Hartmann

Auch darauf will der neue Mülheimer Studiengang mögliche Absolventen vorbereiten. Den Lehrplan hat die HRW in Kooperation mit vier nordrhein-westfälischen Autozulieferern erarbeitet. Auch wenn mit Ford in Köln und Daimler in Düsseldorf nur zwei Autobauer hier sitzen, sei NRW ein bedeutendes Auto-Bundesland, betont Thelen und nennt Zahlen: 800 000 Fahrzeuge werden hier jährlich für den Weltmarkt produziert. 800 Unternehmen der Automotive-Branche beschäftigen 200 000 Mitarbeiter. Ein Drittel aller Zulieferbetriebe sitzt in NRW. Und: Beim Fahrzeugbau belegt Nordrhein-Westfalen mit 232 Betrieben Platz zwei hinter Baden-Württemberg mit 306 und vor Bayern mit 212 Firmen.

Studienangebote in der Region

Auf dem Lehrplan des Mülheimer Studiengangs Fahrzeugelektronik und Elektromobilität mit zunächst 30 Plätzen stehen ab Herbst deshalb nicht nur technische Themen wie Batteriemanagement, Messtechnik, Sensorik und Fahrdynamik. „Auto ist ein qualitativ hochwertiges und dabei sicherheitskritisches Massenprodukt, zugleich aber auch sehr emotional“, sagt Thelen. Deshalb sollen die Studenten auch Kostenbewusstsein bis zum Zehntel Cent bei der Entwicklung neuer Modelle lernen, dabei den „extremen Qualitätsanspruch“ berücksichtigen und die Innovationsfähigkeit nicht aus den Augen verlieren. Denn Kunden erwarteten alle paar Jahre etwas Neues auf dem Automarkt.

„Ich bin optimistisch, dass uns die Absolventen aus den Händen gerissen werden“, sagt der Studiengangleiter. Den Markt für das neue Angebot in Mülheim sieht er trotz der dichten Hochschullandschaft im Ruhrgebiet durchaus. Fahrzeugelektronik biete allein die FH Dortmund an, Duisburg-Essen habe sich auf das Automotive Management spezialisiert, Siegen auf Fahrzeugbau und Engineering. Die an der Hochschule Ruhr West geplante Ausrichtung auf Elektronik mit Antriebstechnik und Sensorik sei ein Alleinstellungsmerkmal des Mülheimer Studiengangs. Thelen: „Aus der Region der konkurrierenden Hochschulen sind keine nennenswerten Bewerberzahlen zu erwarten.“