Essen. . Für den Industriekonzern Ferrostaal arbeiten mehrere Jahre nach einer Korruptionsaffäre nur noch 120 Mitarbeiter in der Essener Zentrale.

Es ist still geworden in den weitläufigen Großraumbüros von Ferrostaal. Nur selten huscht ein Mitarbeiter durchs Gebäude. Die repräsentative Konzernzentrale am Essener Stadtgarten wirkt nicht mehr wie ein Ort, wo das Wirtschaftsleben pulsiert – eher schon wie ein Museum für zeitgenössisches Bürodesign. Die Immobilie hat Ferrostaal vor einigen Monaten an einen Investor aus Luxemburg verkauft, was rund 22,5 Millionen Euro einbrachte, wie das Unternehmen im Bundesanzeiger veröffentlichte. Im Hauptgebäude ist der Industriekonzern jetzt Mieter.

Von den rund 5700 Mitarbeitern, die Ferrostaal vor sieben Jahren nach Angaben des damaligen Konzernchefs Matthias Mitscherlich in aller Welt beschäftigt hat, ist nur noch ein Bruchteil geblieben. Durch Stellenabbau und Firmenverkäufe ist die Belegschaft massiv geschrumpft.

Hamburger haben nun das Sagen

Ferrostaal hat schwere Zeiten hinter sich. Über Jahre hinweg hatten Manager des Unternehmens Schmiergeld bezahlt, um beim Verkauf von U-Booten die Konkurrenz auszustechen. Ende 2011 musste Ferrostaal rund 140 Millionen Euro an die Justiz überweisen, die den illegal erzielten Gewinn abschöpfen wollte. Nicht nur die Konzernkasse hat gelitten, sondern auch der Ruf.

Seit 2012 gehört Ferrostaal zum Hamburger Unternehmen MPC Industries der Kaufmannsfamilie Schroeder. Kurz nach der Übernahme zählte Ferrostaal noch rund 4300 Mitarbeiter. Aktuell sind es nach Konzernangaben etwa 1100 Beschäftigte weltweit. Allein mit dem Verkauf des wichtigen Autozuliefergeschäfts an die Rhenus-Gruppe der Familienfirma Rethmann haben fast 2000 Beschäftigte Ferrostaal verlassen.

Ferrostaal spricht von „zukunftssicherer“ Aufstellung

In der Essener Zentrale sind noch gerade einmal 120 Mitarbeiter für Ferrostaal aktiv. Ein Teil von ihnen arbeitet für eine Gemeinschaftsfirma mit der dänischen Anlagenbaufirma Haldor Topsoe. Hinzu kommen Handelsaktivitäten: Ferro­staal tritt als Vertriebspartner für Industriefirmen auf, die Pipeline- oder Labortechnik, Maschinen für Verpackungen oder Stahlprodukte herstellen. „Ein Gewitter, wie Ferrostaal es erlebt hat, geht nie ohne Spuren an einem vorbei“, sagt Konzern-Manager Martin Wiechers. Ferrostaal stehe aber jetzt „zukunftssicher da“.

Auch Ferrostaal-Geschäftsführer Klaus Lesker war während der Korruptionsaffäre ins Visier der Staatsanwaltschaft geraten. Zwei Mal befand er sich in U-Haft. Es sei aber „nicht in einem einzigen Punkt Anklage“ gegen ihn erhoben worden, betont Wiechers, der als Compliance-Beauftragter bei Ferrostaal für die Einhaltung der Regeln und Gesetze zuständig ist. Lesker sei weder vorbestraft noch „in irgendeinem Punkt schuldig“. Es habe sich für Ferrostaal als „außerordentlich hilfreich erwiesen, in den letzten Jahren einen Experten wie ihn“ zu haben, sagt Wiechers.

Rolle von Sportfunktionär Thomas Bach unklar

Doch dieser Tage wird Ferrostaal erneut von der Vergangenheit eingeholt. Das Recherchezentrum Correctiv berichtet, der heutige Präsident des Internationalen Olympischen Komitees (IOC), Thomas Bach, habe zwischen 2005 und 2009 Hunderttausende Euro durch eine Beratertätigkeit für Ferrostaal verdient. Die Aktivitäten fielen in die Zeit, als Bach Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes war. Welche Rolle der Sportfunktionär in Diensten des Industriekonzerns hatte, ist unklar.

Auch in Zusammenhang mit einer Korruptionsaffäre um den brasilianischen Konzern Petrobas wird der Name Ferrostaal wieder genannt. Der Ruhrkonzern liefert Schiffsmodule für die Öl- und Gasverarbeitung vor der Küste Brasiliens. „Als unser Angebot damals angenommen wurde, gab es noch keine Vorwürfe gegen das Unternehmen“, heißt es dazu bei Ferro­staal.

Ferrostaal-Manager Wiechers erklärt auf Anfrage, der Vertrag mit Thomas Bach sei nicht vom amtierenden Management geschlossen worden. „Er ist mehrfach geprüft und rechtlich nicht beanstandet worden“, sagt Wiechers, „aber die heutige Ferrostaal würde keine Beraterverträge mit Sportfunktionären mehr abschließen“.