Gelsenkirchen. . Viele Zechensiedlungen werden noch von Kohleöfen geprägt. Eine große Rolle spielt die Deputatkohle. Eine Initiative hofft auf mehr Klimaschutz.

Das Leben mit ei­nem Kohleofen ist mühsam. Mindestens einmal am Tag muss Klaus Kobelt runter in den Keller und Kohle nachlegen. Mehrmals wöchentlich trägt Kobelt die Asche nach oben. Wenn der Kohlehaufen im Keller zu klein wird und die Vorräte mal wieder so gut wie aufgebraucht sind, muss Nachschub her. Und fast überall im Gebäude hinterlässt die Kohle ihre Spuren. „Sie können noch so viele Türen einbauen“, erzählt der Hausherr, ein ehemaliger Bergmann. „Der Kohlenstaub zieht unter jeder Ritze durch. Sie sehen den Staub durchs Schlüsselloch kommen.“ Vorsorglich packt Klaus Kobelt seine Sachen im Keller in Tüten ein.

Das Beispiel Meistersiedlung

Bald soll das alles ein Ende haben. Der Kohleofen wird stillgelegt. Stattdessen liefert die einstige Eon-Tochter Uniper Wärme, die aus Grubengas der benachbarten Zeche Westerholt erzeugt wird. Der Anschluss in Kobelts Keller liegt schon, auch die neue Heizungsanlage ist fast fertig installiert. Im September soll es losgehen. Klaus Kobelt stellt um.

Kohleöfen prägen nach wie vor viele Zechensiedlungen im Ruhrgebiet. Allein in dem Gebiet rund um die Gelsenkirchener Meistersiedlung, in der Kobelt wohnt, wurde vor wenigen Monaten noch in rund 700 von 2600 Wohnungen mit Kohle geheizt. Dass der Bergbaukonzern RAG seine aktiven und früheren Beschäftigten jahrzehntelang mit günstiger Deputatkohle versorgt hat, machte den Ofen für viele Menschen im Revier zu einer preisgünstigen Alternative zur Öl- oder Gasheizung.

Immer noch viele Kohleöfen im Ruhrgebiet

„Es hat uns überrascht, wie viele Kohleöfen es noch im Ruhrgebiet gibt“, sagt Irja Hönekopp von der Stadt Herten, die sich gemeinsam mit der Nachbarstadt Gelsenkirchen an einem Projekt namens „Energielabor Ruhr“ beteiligt. Ein Ziel der aus Bundesmitteln finanzierten Initiative ist, den Ausstoß von klimaschädlichem Kohlendioxid (CO2) zu verringern. Einen ähnlichen Ansatz verfolgt auch das Projekt „Innovation City“ in Bottrop. Bis vor kurzem sei noch mehr als die Hälfte des CO2-Ausstoßes im Projektgebiet an der Stadtgrenze von Gelsenkirchen und Herten durch die Verbrennung von Kohle verursacht worden, heißt es in einem Gutachten für die Initiative. „Eine Heizungsumstellung bringt auf einen Schlag Klimaschutz“, sagt Doris Kranich von der Stadt Gelsenkirchen.

Ende 2018 stellen auch die beiden letzten deutschen Steinkohlezechen in Bottrop und Ibbenbüren ihren Betrieb ein. Ab 2019 wird keine Deputatkohle mehr ausgeliefert, womit wohl mancher Kohleofen in den Zechensiedlungen des Reviers an Attraktivität verlieren dürfte.

Fenster auf, wenn es zu warm wurde

Die Bewohner der Meistersiedlung können außerdem auf finanzielle Unterstützung hoffen, wenn sie in Zusammenarbeit mit dem „Energielabor Ruhr“ durch eine Heizungsmodernisierung zum Klimaschutz beitragen. Im Einzelfall fließen mehrere Tausend Euro. „Es sind schon sehr attraktive Prämien, die Eigentümer bekommen. Das spricht sich rum“, sagt Andrea Moises, die das Projekt als Architektin begleitet und die Menschen in der Meistersiedlung berät. „Es gibt aber auch Leute, die nach wie vor von ihrer Kohle überzeugt sind.“ Die Projektverantwortlichen sprechen von einer Sanierungsquote, die bei jährlich fünf Prozent liegt. Der bundesweite Durchschnitt ist deutlich niedriger.

Klaus Kobelt ist jetzt 59 Jahre alt. 37 Jahre lang hat er im Bergbau gearbeitet, davon 17 Jahre unter Tage. Wenn sein Ofen aus ist, wird Kobelt also noch weniger mit der Kohle zu tun haben. Doch noch liegen schätzungsweise anderthalb Tonnen in seinem Keller. „Ich bin wirklich nicht traurig drum“, sagt er mit Blick auf seinen ganz persönlichen Kohleausstieg. Eine gewisse Umstellung dürfte es aber schon werden. Künftig kann Kobelt die Heizung hoch- und runterregeln. „Bislang haben wir die Fenster aufgemacht, wenn es zu warm wurde.“