Ruhrgebiet. . Der Vorrat an Gewerbeflächen im Ruhrgebiet reicht nur noch gut fünf Jahre. Für die Sanierung von Brachen sollen nun EU-Gelder her.
Mülheim ist ausverkauft. Im Dezember wechselte die letzte städtische Gewerbefläche den Eigentümer. So dramatisch wie dort ist die Lage nicht überall im Ruhrgebiet. Doch auch hier reichen die Grundstücksvorräte für Unternehmen im Durchschnitt nur noch 5,6 Jahre, wie aus frischen Zahlen der Wirtschaftsförderung Metropole Ruhr (WMR) für das Jahr 2016 hervorgeht.
„Unsere Region ist gefragt. Die Nachfrage nach Flächen ist in einigen Bereichen größer als das Angebot“, sagt WMR-Geschäftsführer Rasmus C. Beck. Nach seiner Einschätzung hat die gute gesamtwirtschaftliche Entwicklung die Flächenknappheit im vergangenen Jahr noch einmal verschärft. In den 53 Kommunen, die dem Regionalverband Ruhr angeschlossen sind, schrumpfte die Fläche, die der Ansiedlung von Unternehmen zur Verfügung steht, von 2400 Hektar im Jahr 2013 auf nunmehr 2150 Hektar. „Kurz- bis mittelfristig können aber nur rund 1100 Hektar vermarktet werden“, so Beck.
Unternehmen brauchen schnelle Lösungen
Das Problem, das die Wirtschaftsförderer umtreibt: Bei den Freiflächen handelt sich zumeist um zuvor industriell genutzte Brachen, die mit Altlasten verseucht und oft nicht ans öffentliche Straßennetz angebunden sind. Die Sanierung und Erschließung dauert oft Jahre. Zeit, die die Städte aber nicht haben: „Die Unternehmen wollen sich kurzfristig ansiedeln“, sagt Thomas Westphal, Chefwirtschaftsförderer aus Dortmund. So habe sich im Herbst 2016 der Versandhändler Amazon entschieden, in Dortmund ein Logistikzentrum bauen zu lassen. „Ende 2017 soll es bereits eröffnen. Wir haben gerade ein Jahr Zeit“, so Westphal.
„Jetzt besteht die Gefahr, dass Mülheim ein weiteres Unternehmen dieser Größenordnung verlässt“, klagt Wirtschaftsförderer Jürgen Schnitzmeier. Der Mittelständler wolle mit Rücksicht auf seine Mitarbeiter in der Nachbarschaft bleiben, finde aber keine unbebaute Gewerbefläche ohne Nutzungseinschränkungen. Schnitzmeier spricht von einer „Ausverkaufsituation“ in Mülheim. 2016 habe er die Hälfte der Anfragen von Unternehmen, die innerhalb der Stadt expandieren oder umziehen wollen, negativ bescheiden müssen.
„Es läuft etwas schief, wenn wir schon unseren Bestandsunternehmen kaum noch etwas anbieten können“, betont der Wirtschaftsförderer. Insgesamt noch vier nennenswerte Flächen sowie rund 100 000 Quadratmeter der Mannesmannröhren-Werke gebe es noch in Mülheim. Doch für die Erschließung müssten Land und Stadt erst einmal eine Umgehungsstraße im Stadtteil Styrum bauen. Dafür fehle aber das Geld.
Kohlekraftwerk-Standorte im Visier
Die Wirtschaftsförderer wollen deshalb selbst die Initiative ergreifen: „Der Abbau von Nutzungseinschränkungen, die auf den Brachflächen liegen, ist für uns das beherrschende Thema“, sagt WMR-Geschäftsführer Beck. Zunächst sollen mit Unterstützung der Landesregierung revierweit 370 Hektar benannt und ertüchtigt werden. Dabei setzen die Wirtschaftsförderer auch auf finanzielle Förderung etwa durch die Europäische Union. „Wir haben in Brüssel bereits darum gebeten, dass die Umnutzung von Industriebrachen förderfähig gemacht werde“, sagt Thomas Westphal aus Dortmund. EU-Gelder könnten auch helfen, die Standorte der auslaufenden Kohlekraftwerke im Revier nutzbar zu machen. Die Betreiber seien nämlich nicht verpflichtet, die Kosten für den Abriss zu übernehmen.
Die Industrie- und Handelskammern fordern, dass der für Ende des Jahres erwartete Regionalplan des Regionalverbands Ruhr dem Gewerbeflächenengpass Rechnung trägt. Allein in Bottrop, Gelsenkirchen und im Kreis Recklinghausen seien seit 1994 rund 600 Hektar Gewerbeflächen verschwunden, so Karl-Friedrich Schulte-Uebbing von der IHK Nord Westfalen. Der RVR selbst teilte mit, dass revierweit rund 1000 Hektar „für großflächige Ansiedlungen“ städteübergreifend neu ausgewiesen würden.