Bochum. . Experten auf dem Car Symposium in Bochum sagen voraus: In wenigen Jahren wandelt sich die Auto-Branche radikal – nicht nur mit autonomem Fahren.

Wer im gepflegten morgendlichen Stau über die A40 zum Ruhr Congress nach Bochum fährt, kann kaum glauben, dass eine „Zeitenwende in der Autoindustrie“ bereits begonnen haben soll, so die Überschrift zum 17. Car Symposium der Universität Duisburg Essen (UDE). Eine Wende hin zum sogenannten autonomen Auto, also einem elektrisch angetriebenen, selbst seinen Weg suchenden Roboterfahrzeug, das keine Unfälle mehr baut und dessen Nutzung sich viele „User“ „sharen“, sprich: Benutzer teilen.

Das autonome Auto der Stufe 4 bis 5 komme ab 2020, 2021 auf die Straße, sagt BMW-Vorstandsvorsitzender Harald Krüger in Bochum. Stufe 5 meint das Roboterauto, bei dem künstliche Intelligenz den Fahrer ersetzt. Der Computer fahre sowieso einfach besser, sagt der das Symposium ausrichtende Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer von der UDE. Also schnell her damit. Aber der „letzte Meter dahin sei der schwierigste“, sagt Michael Hafner, Direktor Fahrerassistenzsysteme bei Daimler.

Schleppender Absatz von Elektroautos

Elektrisch angetrieben, autonom fahrend, vollständig mit der weltweiten „Cloud“ vernetzt und von vielen geteilt – das ist der Vierklang, der für das Ende der bekannten Strukturen im Automobilbau verantwortlich sein soll. Wer etwa angesichts des schleppenden Absatzes von Elektroautos der Überzeugung ist, das werde alles noch lange dauern, der konnte sich von Stephan Hell belehren lassen. Der Chemie-Nobelpreisträger von 2014 hat mit seiner Grundlagenforschung zum Laser doppelt so hoch auflösende Mikroskope ermöglicht, die erstmals den direkten Blick auf lebende Zellen zulassen.

BMW-Chef Harald Krüger (l.) im Gespräch mit Nobelpreisträger Stefan W. Hell,
BMW-Chef Harald Krüger (l.) im Gespräch mit Nobelpreisträger Stefan W. Hell, © Ingo Otto

Hells Laborergebnisse haben den Weg zu Schuhkarton-kleinen Super-Mikroskopen zurückgelegt, die den Markt umwerfen. Eine zerstörerische Erfindung, die die vier großen Mikroskop-Hersteller (darunter Leica und Zeiss) nicht sehen wollten. Hell baut seine Mikro­skope jetzt selbst, nach eigenen Worten mit wenig Geld, ohne Kredite und Wagniskapitalgeber. Glühbirne statt Petroleumlampe, Auto statt Pferd, Smartphone statt Telefon, niemand sah diese Siegeszüge voraus. Für den 54-jährigen Hell ein einfaches menschliches Phänomen im Umgang mit revolutionär Neuem: „Ein Mangel an Erfahrung führt zum Unterschätzen der Entwicklung.“

Ein Beispiel für explosives Wachstum gab Vodafone-Deutschlandchef Hannes Ametsreiter: Die Zahl der SIM-Karten, mit der alle möglichen Dinge per Mobilfunk überwacht und gesteuert werden, werde sich bis 2020 auf 25 Milliarden vervierfachen, nach pessimistischer Schätzung. Nach optimistischer: verzweiunddreißigfachen auf 200 Milliarden.

BMW kann Roboterauto nicht allein stemmen

Das E-Auto-Share-Car muss auf unabsehbare Zeit irgendwo in ei­ner konventionellen Fabrik gebaut werden. Doch selbst ein großer Player wie BMW kann die Entwicklung zum Roboterauto nicht alleine stemmen. Die Plattform für das autonome Fahren bei BMW sei deshalb offen für alle möglichen Partner, so Krüger. Die Differenzierung des Produkts zum Wettbewerb geschehe an anderer Stelle. Und ein Auto aus München solle dem Fahrer immer die Wahl lassen, ob es sich selbst steuert. Nur nach heutigem Stand natürlich, möchte man mit Stephan Hell im Ohr anmerken.

„Das ist eine Lachnummer“, urteilt Autoexperte Dudenhöffer über die angedachten gesetzlichen Neuregelungen zum autonomen Fahren, die die Verantwortung weiterhin praktisch uneingeschränkt beim Fahrer belassen. „Wem vertrauen Sie Ihre Daten an?“ fragte IBM-Manager Dirk Wollschläger rhetorisch. Das Roboterauto, es wird nämlich mehr als nur ein Transportmittel sein, zum Beispiel ein gigantischer Datenstaubsauger.

>> Ruhrgebietsfirmen entwickeln mit

Auch Unternehmen aus dem Ruhrgebiet sind an der Entwicklung des autonomen Autos beteiligt. Logiball aus Herne testet die detaillierten Karten für die zentimetergenaue Navigation. G-Data aus Bochum arbeitet am Virenschutz für das vernetzte Auto, das ständig mit dem Internet kommunizieren muss.