Essen. . Das Gewerbe wehrt sich gegen Fahrverbote, der Mittelstand warnt vor „zahlreichen Firmenpleiten“. Autoexperte Dudenhöffer fordert höhere Steuern.

Erst der Feinstaub, dann die Stickoxide, schließlich der VW-Skandal und nun auch noch drohende Fahrverbote hinterlassen Spuren: Der Marktanteil neu zugelassener Diesel-Pkw ist in Deutschland zuletzt so stark gesunken wie seit der Wirtschaftskrise 2009 nicht mehr. Das zeigt eine Studie des CAR-Instituts der Uni Duisburg-Essen. „Das Jahr 2016 läutet den Niedergang des Dieselmotors bei Pkw ein“, ist sich Institutschef Ferdinand Dudenhöffer sicher.

Gerade in großen Städten fragen sich die Kunden in den Autohäusern zunehmend, ob sie beim Kauf eines Diesel Gefahr laufen, ihr neues Auto im Extremfall gar nicht fahren zu dürfen. Diese Verunsicherung hat den Marktanteil der im November verkauften Diesel-Pkw der Studie zufolge auf 44,9 Prozent sinken lassen, ein Jahr zuvor war noch jeder zweite verkaufte Neuwagen ein Selbstzünder.

Ministerien streiten über Verbote

Der Streit über Fahrverbote wird in der Bundesregierung auf höchster Ebene weitergeführt. Während Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) den Kommunen verschiedene Möglichkeiten an die Hand geben will, um dreckige Diesel auszusperren, wehrt sich das Verkehrsministerium von Alexander Dobrindt (CSU) dagegen.

Der Zentralverband der Autohändler (ZDK) warnt bereits, Hendricks wolle dem Diesel den Todesstoß versetzen“, weil nach ihren Plänen sogar modernste Euro 6-Diesel aus den Innenstädten verbannt werden könnten. Allerdings haben auch die neuen Modelle in Praxistests erneut deutlich zu viele Stickoxide ausgestoßen und die Grenzwerte teils um ein Vielfaches überschritten. Von 33 neuen Euro-6-Dieseln hielten in den jüngsten Tests laut einer Übersicht der Zeitschrift „Auto, Motor & Sport“ nur zwei Modelle die Grenzwerte ein.

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Hintergrund sind zu hohe Emissionen gesundheitsschädlicher Stickoxide, die vor allem den Dieseln zugeschrieben werden. Den Kommunen drohen künftig vom Europäischen Gerichtshof verhängte Geldstrafen, wenn sie überhöhte Stickoxid-Grenzwerte weiter dulden. Als letztes Mittel, dies zu verhindern, gelten Fahrverbote.

Wirtschaft ist strikt gegen Fahrverbote

Nach dem umstrittenen Entwurf des Umweltministeriums sollen die Kommunen Plaketten ausgeben oder Zufahrten für Diesel ganz sperren dürfen. Die dritte Möglichkeit kennt man aus der unter Dauer-Smog leidenden chinesischen Hauptstadt Peking: An einem Tag dürften nur Autos mit gerade endenden Kfz-Nummern fahren, am nächsten nur mit ungeraden.

Die regionale Wirtschaft will daran natürlich gar nicht erst denken. „Ein Fahrverbot für Diesel in unseren Innenstädten wäre aus Sicht von Handwerk und Mittelstand nichts anderes als eine gigantische Kapitalvernichtung“, warnt Herbert Schulte, Geschäftsführer des NRW-Verbands der mittelständischen Wirtschaft. „Zahlreiche Firmenpleiten“ wären die Folge.

Die Pkw-Händlerlobby führt noch ein Umweltargument ins Feld: „Wer den Diesel auf die Schlachtbank führt, ignoriert bewusst dessen unverzichtbaren Beitrag zum Klimaschutz“, erklärte ZDK-Präsident Jürgen Karpinski. Denn Diesel stoßen zwar mehr Stickoxide aus als Benziner, wegen des niedrigeren Verbrauchs aber weniger klimaschädliches CO2.

Experte beklagt „falsche Signale an der Zapfsäule“

Laut Dudenhöffer wird das den Autobauern noch ernste Probleme bereiten, wenn die Dieselverkäufe weiter sinken. Denn mit dem neuen Siegeszug der Benziner habe sich die CO2-Bilanz der Neuwagen erstmals wieder verschlechtert. Ab 2020 drohen den Herstellern Strafzahlungen, wenn ihre Flotten zu viel CO2 ausstoßen.

Autoexperte Dudenhöffer kritisiert, die Politik habe das Stickoxid-Problem nicht nur ignoriert, sondern auch noch die falschen Signale an der Zapfsäule gesetzt: Mit der zum Benzin um 18 Cent niedrigeren Kraftstoffsteuer auf Diesel. Er fordert, die Sätze anzugleichen. Um Nachteile für die Wirtschaft auszugleichen, könnten im Gegenzug die Kfz-Steuer für Diesel-Pkw und die Maut für Lkw gesenkt werden.