Indische Industrielle wie Tulsi Tanti oder Lakshmi Mittal breiten sich mit ihren Konzernen weltweit aus.Auch in Deutschland kaufen indische Firmen stetig zu. Deutsche Bank sieht Indien 2020 als drittgrößte Volkswirtschaft

Essen. Als Angela Merkel gestern zu Beginn ihres viertägigen Besuchs in Indien eintraf, sagte die Bundeskanzlerin einen Satz, der manchen mitgereisten Manager überraschte. Merkel erklärte, mit Blick auf die Wirtschaft sei Indien auf dem Weg von einer Regionalmacht zu einem Global- Player. Die deutsche Wirtschaft indes sieht Indien in der obersten Etage der Wirtschaftsmächte längst angekommen. Aus gutem Grund.

Der Einfluss indischer Unternehmen auf dem Weltmarkt wächst rapide. Anfang dieses Jahres erst kaufte der indische Mischkonzern Tata für über zwölf Milliarden Dollar den niederländisch-britischen Stahlriesen Corus. In Deutschland ist Tata vor allem für seine Billigautos bekannt. Dabei stellt der Konzern auch Büstenhalter, Software und Teebeutel her. Die Ankündigung, ein 2000-Dollar-Auto für den indischen Markt zu produzieren, sorgte für Unruhe in den Zentralen deutscher Autobauer, für die Indien ein Zukunftsmarkt darstellt.

2005 übernahm Tata den insolventen Coburger Automobilzulieferer Wündsch-Weidinger. Ein kluger Schachzug, gehören zu dessen Kunden auch Volkswagen, BMW und Daimler. Tata stellte so eine direkte Anbindung an deutsche Autobauer her. Zuvor schon hatte die indische Gruppe Amtek Auto den Hennefer Zulieferer Zelter gekauft. Der Mischkonzern Reliance, der auch in der Kunststoffverarbeitung groß im Geschäft ist, übernahm derweil 2004 den deutschen Garnhersteller Trevira aus Hattersheim. Damit stieg Reliance zum Weltmarktführer bei Polyester auf.

Indische Unternehmen strecken seit längerem ihre Fangarme in die ganze Welt aus. Tata, Amtek und Reliance sind nur drei Beispiele in Deutschland. "Indien hat ein riesiges Potential", sagt Robert Butschen, Indien-Experte der Industrie- und Handelskammer Düsseldorf. Da gebe es Konzerne, die konsequent in anderen Weltregionen investierten. Für Deutschland lag Indien als Exportnation 2006 auf Rang 29, für die NRW-Wirtschaft immerhin auf Platz 19.

Hinter den Konzernen stecken oft steinreiche Industrieelle. Etwa beim Stahl- und Kohlekonzern Mittal, der 2006 für 25 Milliarden Euro den Stahl-Konkurrenten Arcelor kaufte. Inhaber Lakshmi Mittal gilt als drittreichster Mann der Welt. Er besitzt gut laufende Werke in Deutschland, in Duisburg, Hamburg und Eisenhüttenstadt. Tulsi Tanti, einst kleiner Textilunternehmer, ist heute Inhaber des weltweit fünftgrößten Windturbinenherstellers Suzlon.

Was Indien im internationalen Vergleich indes fehlt, ist eine breite mittelständische Schicht. "Der indische Mittelstand expandiert nur wenig und hat genug mit dem eigenen Markt zu tun", sagt Indien-Experte Butschen. Laut einer Studie der Deutschen Bank unter dem Titel "Auf dem Weg zur Weltmacht" reicht es für Indien dennoch, sich bis 2020 als drittgrößte Volkswirtschaft der Welt hinter den USA und China zu etablieren. Bis dahin wird wohl auch in Deutschland noch manche Firma in indischen Besitz übergehen.