Berlin. Laut einer Studie liegen die Kosten für die Rettung des Autobauers Opel nicht bei 4,5 sondern sogar bei 6,1 Milliarden Euro. Bliebe Opel bei General Motors, müsste der US-Konzern die Summe aufbringen. Derzeit besteht keine große Hoffnung auf eine schnelle Lösung.

In der deutschen Politik schwindet die Hoffnung auf eine schnelle Rettung von Opel. Der Unions-Mittelstandspolitiker Michael Fuchs zeigte sich am Mittwoch im ZDF-Morgenmagazin skeptisch, dass noch am selben Tag im Verwaltungsrat von General Motors in Detroit eine Entscheidung fällt.

Der Verwaltungsrat sei völlig neu strukturiert und die Mitglieder müssten sich erst einarbeiten, sagte Fuchs. «Ich kann mir nicht vorstellen, dass die heute schon das komplexe Thema bewältigen können», sagte er. «Mir tut das leid, denn langsam müssen die Opelaner mal wissen, wo dran sie sind.» Fuchs äußerte auch Zweifel, dass GM Opel überhaupt noch verkauft. Gegen den Investor Magna und dessen russische Partner spreche, dass sich General Motors den russischen Markt für eigene Autos offen halten wolle.

Allerdings verwies Fuchs auch auf eine neue Studie der Wirtschaftsberatungsgesellschaft KPMG, wonach die Kosten zur Rettung des deutschen Autobauers deutlich höher sein könnten als erwartet. Statt der auch von der Bundesregierung unterstellten 4,5 Milliarden Euro könnte die Summe bei 6,1 Milliarden liegen, sagte Fuchs. «Das ist eine Größenordnung, mit der niemand gerechnet hat.» Bliebe Opel bei GM, müsste der US-Konzern die Summe aufbringen.

Gewaltige Überkapazitäten

Fuchs verwies darauf, dass der Bundesregierung die Hände gebunden seien. «Es war immer so, dass GM der Eigentümer von Opel ist», sagte er. «Wir können nur unterstützend tätig sein.» Es gehe der Bundesregierung darum, die Arbeitsplätze in Deutschland zu erhalten. Wenn GM dies selbst tue, wäre das Ziel erreicht. Problem seien die gewaltigen Überkapazitäten weltweit von bis zu 30 Millionen Autos jährlich. Die Hoffnung liege darin, dass diese nicht in Deutschland abgebaut würden.

Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte noch vor wenigen Tagen die Erwartung geäußert, dass die Entscheidung über Opel noch vor der Bundestagswahl falle. Falls sie der GM-Verwaltungsrat heute vertagt, wäre dies vermutlich verfehlt: Die nächste Sitzung ist erst für die Zeit nach dem 27. September anberaumt.

Kein konkreter Vorschlag von GM

General-Motors-Vorstandschef Frederick Henderson wird offenbar ohne konkreten Vorschlag zum weiteren Vorgehen bei der Konzerntochter Opel am Mittwoch in das Treffen mit dem Verwaltungsrat gehen. Das Kontrollgremium könnte sich darauf verständigen, eine Entscheidung über die deutsche Tochter auf einen späteren Zeitpunkt im September zu verschieben, sagten mit der Angelegenheit vertraute Personen dem «Wall Street Journal» am Mittwoch.

Dies würde zwar mehr Zeit zur Ausarbeitung eines Opel-Plans ermöglichen, dabei aber auch Milliardenbeträge der Finanzierung aufs Spiel setzen, die von der deutschen Bundesregierung zur Rettung der betroffenen Arbeitsplätze angeboten werden, hieß es weiter. Weiter berichtete die Zeitung, dass im Kontrollgremium von General Motors (GM) vier Zukunftsszenarien für Opel besprochen werden sollen.

Zur Debatte stünde demnach, Opel entweder an den österreichisch-kanadischen Automobilzulieferer Magna oder an den belgischen Finanzinvestor RHJ zu verkaufen. Möglich sei aber auch ein Verbleib im Konzern oder eine Insolvenz, allerdings werde Letzteres als unwahrscheinlichste Lösung eingestuft. Zuletzt habe der Verwaltungsrat dem Management mitgeteilt, es solle sich stärker darauf konzentrieren, das verlustreiche Geschäft zu behalten.

«Mit jedem abgelaufenen Tag, an dem wir Opel nicht restrukturieren, wird unser Zeitfenster kleiner, in dem wir das Geschäft in Ordnung bringen können», wird eine weitere Person zitiert. GM zieht in Betracht, Opel entweder an den österreichisch-kanadischen Automobilzulieferer Magna International oder an den belgischen Finanzinvestor RHJ International zu verkaufen. Möglich sei aber auch ein Verbleib im Konzern oder eine Insolvenz, allerdings werde Letzteres als unwahrscheinlichste Lösung eingestuft.

Hängepartie sorgt für finanzielle Nöte

Derweil berichtete die «Frankfurter Allgemeine Zeitung» unter Berufung auf Kreise der Opel-Treuhand, dass die Hängepartie Opel und die Bundesregierung vor ein Dilemma stelle. Ende November werde der Brückenkredit über 1,5 Milliarden Euro samt Zinsen fällig. Dieser sei fast vollständig mit Vermögen des Unternehmens als Pfand besichert, darunter Grundstücken und Fabriken.

Bund und Länder hatten ihre weitere Finanzierungszusage von 4,5 Milliarden Euro an einen Verkauf an Magna geknüpft. GM wäre zwar bereit, rund eine Milliarde Euro aus der eigenen Kasse für Opel aufzubringen und hofft zudem auf ergänzende Staatskredite über eine weitere Milliarde Euro aus Spanien, England und Polen. Aber auch diese Summe würde bei weitem nicht für die Sanierung von Opel ausreichen, wenn der Staatskredit zurückgezahlt werden muss.

Der Opel-Betriebsratsvorsitzende Klaus Franz sprach am Mittwoch von einem kurzfristigen Finanzbedarf von 3,8 Milliarden Dollar (2,6 Milliarden Euro) sollte GM Opel im Konzernverbund halten wollen. Dies gehe aus den Kalkulationen einer Beratungsgesellschaft hervor. Dabei seien die Produktinvestitionen der ersten zwölf Monate nicht eingerechnet, sagte er. In den folgenden fünf Jahren wären dann weitere 3,8 Milliarden Dollar erforderlich.

Unterdessen warnte der Betriebsratschef des Bochumer Opel-Werks, Rainer Einenkel, erneut vor einer Insolvenz Opels. Das sei der schlechteste Weg, sagte er am Mittwoch im Deutschlandradio Kultur. Er bedeute die Schließung mehrerer Werke, allen voran Bochum und Eisenach. Neben Tausenden von Jobs bei Opel gingen unter anderem auch 100 000 Stellen im Zulieferbereich verloren. (ap/ddp/afp)