Unternehmen an Rhein und Ruhr: Das Essener Unternehmen hat es vom Stadtteil Kray aus in die Weltspitze der Anbieter von Computern und Unterhaltungselektronik geschafft. Jetzt startet Medion eine Design-Offensive

Essen. Gerd Brachmann ist zuweilen von sich selbst überrascht. "Bauen wir die Wecker? Finde ich toll, diese analogen Wecker. Schön, nicht?" Mobiltelefone, Flachbildschirm-Fernseher, Personalcomputer, Laptops, Wecker oder Navigationsgeräte - wer wollte es dem Gründer und Chef der Essener Medion AG verübeln, dass er die analogen Wecker aus seinem Sortiment nicht mehr auf dem Bildschirm hatte?

Medion zählt sich selbst zu den weltweit zehn größten Anbietern im Verbrauchermarkt für Unterhaltungselektronik, für Telefone oder Laptops. Der Branchendienst IDC beziffert die Zahl der 2007 verkauften Medion-Computer auf 1,3 Millionen Stück. "Wir sind der einzige echte Europäer, der die gesamte Produktpalette anbietet - und das als ein Unternehmen mitten aus dem Ruhrgebiet", sagt Brachmann.

Es ist nicht ganz leicht zu beurteilen, ob hier ein wenig Stolz mitschwingt, es vom Fernsehtechniker und Videothekenbesitzer in die Weltspitze der Verbraucherelektronik geschafft zu haben. Denn eigentlich will Brachmann nicht über sich reden. Keine Fotos, keine Interviews, kein Personenkult. Der hochgewachsene Mann mit Pilzkopf-Frisur und Schnauz will sein Leben leben, ohne Hochglanzgeschichten, Reichen-Rankings und dem Öffentlichkeits-Brimborium.

Andererseits redet Brachmann gerne davon, was "das Team bei Medion" so alles in den vergangenen Jahren geschafft hat, nachdem die Zahlen beim Umsatz und Gewinn eingebrochen waren, sich das Unternehmen deutlich verkleinert und darauf konzentriert hat, was Medion-Vizechef Christian Eigen als das Wesentliche bezeichnet in einem Markt, der kaum mehr technische Quantensprünge hervorbringt und der abgefüllt ist, weil heutzutage fast jeder einen Hochleistungs-PC besitzt: "Das Aussehen", sagt Eigen, "ist heute neben der Technologie ein ganz wesentliches Kaufargument. Wir haben den Trend erkannt und unsere Produkte unter ein einheitliches Design gestellt."

Daran ist Bernhard Geisen schuld. Geisen ist Chefdesigner, arbeitet mit einer 15-Mann-Abteilung in Essen und weiteren zwölf Designern in Shanghai und dreien im taiwanesischen Taipeh an der Unverwechselbarkeit von Navis oder Laptops. Ein Notebook sei heute "Ausdruck von Persönlichkeit, wie eine Automarke", meint Brachmann, der selbst mit einem Mittelklasse-BMW unterwegs ist.

Medion will es in Sachen Design mit Apple oder Sony aufnehmen. Dafür liegt Geisen, der Chefdesigner, auf der Lauer: Marktbeobachtung, Materialbeobachtung, Trendbeobachtung sind sein täglich Brot. Produktionsmuster muss er heranschaffen, derzeit gerne hochwertige Materialien aus der Automobilindustrie. Und zuweilen bekommt er einen Auftrag, wie jüngst, einen Laptop in der Rekordzeit von fünf Monaten zu entwickeln. "Wir sind schnell. Von der Produktentwicklung bis zu den Tests - das schafft kein Konzern", meint Brachmann. Dies sei auch Microsoft oder Intel nicht verborgen geblieben, weshalb die Giganten bei Neuheiten gerne mit den Essenern kooperierten.

Am Ende stehen die Produkte, die die Designer und rund 100 Ingenieure in einer ehemaligen Kaserne in Essen-Kray erfinden und als Medion oder Life oder Lifetec oder Microstar in Massen in den Gängen von Aldi, Media-Markt oder Tchibo landen.

High-Tech fürs Volk - das nennt Brachmann nicht frei von Werbesprache "Demokratisierung", die er jetzt auch auf die Optik ausgedehnt wissen will: "Ein 47-Zoll-Flachbildschirmfernseher im schwarzen Klavierlack-Look zu Massen verträglichen Preisen."

Das war schon Konzept, als Medion anfing, PCs über Aldi zu verkaufen und damit zu den Hochzeiten der Computerisierung regelrechte Einkaufsschlachten in den Supermärkten provozierte. Die Zeiten scheinen vorbei. Auch deshalb setzt Medion auf edel.

Dafür ist Geisen zuständig, der aus Laptops Flachmänner macht, der den Geräten einen einheitlichen silbernen Streifen verordnet hat. Und wenn er gut ist, dann bringt der Chefdesigner vielleicht irgendwann "den Gerd" nochmal zum Staunen. "Schön, bauen wir das?"